Erdbeben in Chile
Am 27. Februar 2010 erschütterte gegen halb vier Uhr morgens Ortszeit ein Erdbeben der Stärke 8,8 auf der Richter-Skala den südamerikanischen Küstenstaat Chile. Damit war dieses Erdbeben das stärkste seit etwa 50 Jahren in dieser Region. Dieses Beben gehört außerdem zu den stärksten Erdbeben, die überhaupt seit Beginn der Aufzeichnungen 1900 gemessen wurden und geht als Nummer sechs der weltweit stärksten Erdbeben in die Geschichte ein. Innerhalb von 24 Stunden kam es zu über 70 Nachbeben, die ebenfalls mindestens eine Stärke von 4,9 erreichten und weitere Schäden anrichteten. Noch Tage nach dem Hauptbeben traten weitere Nachbeben auf, wobei besonders das Nachbeben am 1. März und das am 5. März zu nennen sind. Sie erreichten jeweils Werte von 6,2 beziehungsweise 6,6 auf der Momentan Magnituden Skala. Das Zentrum des Bebens lag vor der Küste und ungefähr 30 Kilometer unter der Erdoberfläche.
Tsunami und weitere Erdbeben
Auf das Erdbeben folgte ein Tsunami, der durch das Beben des Meeresbodens ausgelöst wurde. Die Flutwelle richtete entlang der Küste verheerende Schäden an und der Präsident rief für mehrere Regionen den Katastrophenzustand aus. Als wenige Tage später am 11. März erneut ein Erdbeben dieselbe Region heimsuchte, sprach die weltweite Presse von einem erneuten Erdbeben. Die Forscher, welche das Ereignis untersuchten, fanden jedoch heraus, dass diese Erdstöße am 11. März 2010, die mit 4,9 und 6,9 gemessen wurden, nichts mit dem vorangegangenen Beben vom 27. Februar zu tun hatten und als ein eigenständiges Ereignis zu betrachten sind.
Die Stabilität im Erdinneren hat sich durch diese Beben stark verschlechtert und Experten gehen davon aus, dass zahlreiche Beben in den darauf folgen Monaten, unter anderem die Beben in Zentralchile im Januar und Februar 2011 mit der Unruhe im Erdinnern zusammen hängen, die durch das starke Beben am 27. Februar 2010 erzeugt wurde und sich bis heute nicht beruhigt hat. Das Erdbebenrisiko ist in der Region also seither gestiegen.
Tektonische Gegebenheiten der Region
Vor der Küste Chiles begegnen sich die Nasca Platte und die südamerikanische Platte. Chile liegt auf der südamerikanischen Platte direkt am Rand, deshalb befinden sich hier auch die recht hohen Küstengebirge. Die Nasca Platte liegt unter dem Ozean und sie ist von ihrer Beschaffenheit dichter als die südamerikanische Platte, auf der sich die Landmassen befinden. Die Nasca Platte schiebt sich langsam aber stetig unter die südamerikanische Platte und zwar mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,3 Zentimetern pro Jahr. Dadurch werden Spannungen erzeugt, die zu den hier regelmäßig vorkommenden Erdbeben führen. Jedes Mal, wenn die Spannung zu hoch wird, bewegt sich die Erde und das Zentrum Chiles wird von Erdstößen erschüttert. In Chile ist man also daran gewöhnt, dass die Erde von Zeit zu Zeit bebt.
Seit 1950 sind 25 stärkere Erdbeben gemessen worden und 1960 gab es sogar ein Beben mit der Stärke von 9,5, das als stärkstes Erdbeben seit Beginn der seismischen Aufzeichnungen gilt. 1960 kamen in Chile 1655 Menschen ums Leben und der durch das Erdbeben ausgelöste Tsunami forderte weitere 61 Todesopfer, nachdem er das Meer in Richtung Westen durchquert hatte. Ein weiteres schweres Erdbeben fand im Jahr 1922 statt. Es schlug mit 8,5 auf der Momentan Magnituden Skala zu Buche und die Flutwelle des damals ausgelösten Tsunamis erreichte eine Höhe von neun Metern und hatte noch deutliche Auswirkungen auf Hawaii.
Zerstörungen durch das Erdbeben
Die Bodenbeschleunigungen, die auf der Mercalliskala gemessen werden, betrugen am 27. Februar 2010 in der Hauptstadt Santiago de Chile 2,2 m/s2. Das entspricht der Stufe sieben. In Coronel und Arauco, die noch näher am Epizentrum liegen, entsprachen die Beschleunigungen der Stufe acht. Durch diese Beschleunigung des Bodens werden die meisten Zerstörungen an Gebäuden verursacht. Zahlreiche Gebäude aller Art erlitten schwere Beschädigungen und stürzten zum Teil ein. Der internationale Flughafen blieb für mehrere Tage geschlossen und vielerorts brachen die Stromnetze und Telefonleitungen zusammen.
Die Erdstöße machten natürlich nicht an der Landesgrenze Chiles halt und so waren die Beben auch in weiten Teilen Argentiniens zu spüren. Sogar das mehrere tausend Kilometer entfernte Sao Paulo in Brasilien konnte noch Werte auf der Richter Skala messen. Am verheerendsten waren die Folgen jedoch etwa 200 Kilometer rund um das Epizentrum.
Mehrere Hundert Tote
Nachdem sich die chilenischen Behörden ein Bild der Situation gemacht hatten, gaben sie die offizielle Zahl von rund 800 Todesopfern an die internationale Presse, die vor dem 4. März nur verschiedene Schätzungen veröffentlicht hatte. Die offizielle Liste der Opfer, die weitere 11 Tage danach veröffentlicht wurde, enthielt 521 Tote und 56 Vermisste. Mindestens zwei Millionen Menschen litten unmittelbar unter den Schäden durch das Erdbeben. 500.000 Wohnungen waren zerstört und unbewohnbar. Die Regierung rechnete damit, dass der Wiederaufbau vier Jahre in Anspruch nehmen und mindestens 30 Milliarden Dollar kosten würde.
Die Regierung startete sofort Hilfsmaßnahmen und verschob kurzerhand die Umstellung der Sommerzeit auf die Winterzeit um einige Wochen, um den obdachlos gewordenen Menschen und denen, die keinen Strom zur Verfügung hatten, am Abend eine Stunde länger Helligkeit zu geben.
Folgen des Erdbebens
Geologen aus Chile und den USA untersuchten die Auswirkungen des Erdbebens und stellten fest, dass zum Beispiel die Stadt Concepcion um drei Meter nach Westen gerückt war. Die Hauptstadt Santiago de Chile hatte sich um 24 Zentimeter nach Südwesten verschoben und auch andere Städte und Landschaften waren merklich beeinflusst. 20.000 Nachbeben wurden gemessen, manche stärker, manche weniger stark. Die Forscher gaben außerdem an, das das Beben und die geologischen Veränderungen, die daraus resultieren, eine Verschiebung der Erdachse um etwa 1,26 Mikrosekunden bewirkt hatte.
Die gravierendste Auswirkung des Erdbebens vom 27. Februar 2010 war jedoch der Tsunami, der sich vom Epizentrum unter dem Meeresspiegel in alle Richtungen kreisförmig ausdehnte. Seine Wellen erreichten also nur kurze Zeit nach dem Beben die Küste von Chile und richteten in mehreren Hafenstädten Schäden an. 19 Minuten nach dem Beben erreichte der Tsunami Talcahuano, nach 34 Minuten die Stadt Valparaíso und nach etwa drei Stunden das etwas weiter entfernte Antofagasta. Auch die zu Chile gehörenden Juan Fernandez Inseln wurden von einer Welle getroffen. Nach viereinhalb Stunden erreichte die Welle die Osterinseln, die weit ab im Ozean liegen aber politisch dennoch zu Chile gehören.
Der Tsunami breitete sich weiter im pazifischen Ozean aus und hatte damit Auswirkungen auf 53 Staaten, darunter zum Beispiel die USA, Kolumbien, Peru, Ecuador und Costa Rica aber auch verschiedene Inselstaaten Ozeaniens, Australien und Neuseeland. Eine Tsunami Warnung wurde rechtzeitig herausgegeben und es wurden zudem auch Japan, Russland, Taiwan, die Philippinen und Indonesien gewarnt, deren Ostküsten am Pazifik liegen.
Situation im Erdbebengebiet
Die Ausrufung des Katastrophenstatus war keine übertriebene Maßnahme der Regierung. Die Zustände im Katastrophengebiet waren zum Teil sehr chaotisch, vor allem, weil die Versorgung der Menschen mit dem Nötigsten eine beschwerliche Aufgabe war. Es gab in den ersten Tagen weder funktionierende Wasser- noch Stromleitungen und die gesamte Infrastruktur, darunter Tankstellen und Supermärkte waren zerstört. Die Krankenhäuser waren zum Teil stark beschädigt und konnten kaum ihren Aufgaben nachkommen. Viele Patienten mussten lange Wartezeiten in Kauf nehmen, weil zunächst nur die allerschwersten Fälle versorgt werden konnten. Aus einem Gefängnis in Chillan konnten 300 Gefangene fliehen.
Besonders betroffen waren die Küstenorte, in denen der Tsunami für Zerstörungen gesorgt hatte. Hier trafen die Hilfskräfte nur mit großer Verstärkung ein. Als es zu mehr und mehr Plünderungen und Raubüberfällen kam, musste schließlich das Militär für Ordnung sorgen.