Erdbeben in Japan
Japan gehört zu den am häufigsten von Erdbeben betroffenen Ländern der Erde. Fast jeden Tag kommt es zu leichten Beben, die von den meisten Japanern kaum wahrgenommen werden. Mehr als 100.000-mal im Jahr bebt die Erde, davon sind 1.500 Beben für den Menschen zu spüren. Durchschnittlich werden pro Monat 73 Beben gemessen, die einen Wert von 4 oder höher auf der Magnituden-Skala erreichen, kleineren Beben wird keine große Bedeutung zugemessen. Treten diese allerdings gehäuft auf, wird dies als Hinweis auf ein möglicherweise bevorstehendes großes Erdbeben gewertet. In der Geschichte des Landes hat es sehr viele Erdbeben gegeben, die Magnituden von 6 oder 7 erreichten und für starke Schäden und unzählige Opfer sorgten.
Eine weitere Gefahr, die durch die Erdbeben entstehen, sind die Tsunamis. Dabei handelt es sich um Riesenwellen, die in das Land schwappen und durch den Wasserdruck Gebäude zerstören. Menschen und bewegliche Gegenstände werden erfasst und beim Zurückfließen mit in das Meer gezogen. In den letzten eintausend Jahren sind über 160.000 Japaner Opfer solcher Tsunamis geworden. Als das bisher schlimmste Erdbeben erreichte im Jahre 2011 das Thoku-Erdbeben eine bis dahin nicht gemessenen Wert auf der Magnituden-Skala von 9. Neben einem Tsunami führte dieses Beben auch zu mehreren Havarien in den Atomreaktoren von Fukushima. Während sich die meisten Erdbeben lediglich in einem begrenzten Gebiet bemerkbar machen, war dieses schlimmste Erdbeben der japanischen Geschichte fast im ganzen Land spürbar.
Geografische Lage verantwortlich für Erdbeben
Der Grund für die häufigen Erdbeben liegt in der geografischen Lage des asiatischen Inselstaats. Japan liegt an einer sehr sensiblen Stelle der Erde. Vier architektonischen Platten unterhalb der Erdkruste stoßen hier aneinander. Im Norden ist es die Nordamerikanische Platte, im Osten die Pazifische Platte, im Süden die Philippinische Platte und im Westen die Eurasische Platte. Die Platten bewegen sich jährlich um einige Zentimeter und lösen dadurch neben den Erdbeben auch vulkanische Aktivitäten aus. 240 Vulkane befinden sich auf der japanischen Insel. Die meisten Vulkane sind erloschen, allerdings sind 40 noch aktiv und stoßen gerade nach Erdbeben Rauch und Lavaflüsse aus.
Betroffen von den Erdbeben ist das ganze Land, aber vor allem die Millionenmetropole Tokio liegt direkt an einer der am meisten gefährdeten Stellen. Zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts wurden Richtwerte eingeführt, aus denen sich die Stärke eines Erdbebens ermitteln lässt. Die sogenannte Magnitude, die aus der für Kalifornien bestimmten Richterskala entwickelt wurde, ermöglicht den Erdbebenforschern genauere Daten und damit bessere Vorhersagen für Erdbeben. Seitdem werden jedem Erdbeben die entsprechenden Werte zugeordnet.
Die schlimmsten Erdbeben von 869 bis 2011
Die Liste der schlimmsten Erdbeben in Japan beginnt mit dem Jogan-Erdbeben im Jahre 869, das vor allem die Provinz Mutsu, eine historische Präfektur, die im heutigen Gebiet um Fukushima lag, betraf. Dokumentiert ist dieses Ereignis in der Reichschronik. Wie stark das Beben gewesen ist, lässt sich nicht mehr bestimmen, doch ist von eintausend Toten die Rede. Im Dezember 1703 forderte das Genroku-Erdbeben über 108.000 Todesopfer. Im Dezember 1854 sorgte das Erdbeben von Ansei-Nankei ebenfalls für viele Tote, mehr als 10.000 wurden gezählt. 1891 fand das Nobi-Erdbeben statt, das eine Magnitude von 6 erreichte. Viele Japaner fanden 1896 den Tod, als das Meiji-Sanriku-Erdbeben mit einer Magnitude von 8,5 das Land erschütterte. Die Opferzahlen wurden mit über 27.000 angegeben. Dieses verheerende Beben fand an derselben Stelle statt wie das bisher schlimmste Erdbeben im Jahre 2011.
1923 sorgte ein weiteres starkes Erdbeben für die Zerstörung der Stadt Yokohama. Auch weite Teile von Tokio wurden beschädigt. Das Kanto-Erdbeben erreichte eine Stärke 7,9 und forderte über 142.800 Tote. 1955 richtete das Erdbeben von Kobe starke Verwüstungen an. Die Zahl der Opfer war trotz der hohen Magnitude von 6,9 mit 6.400 vergleichsweise niedrig. Das folgenreichste Erdbeben Japans ereignete sich im Jahre 2011. Das T?hoku-Erdbeben erreichte einen bisher niemals gemessenen Wert von 9 auf der Magnitudenskala. Die Schäden waren verheerend, Tausende von Menschen verloren ihr Leben oder wurden obdachlos. Viele von ihnen mussten über Monate in Turnhallen untergebracht werden, da das Land mit der Beseitigung der Schäden und dem Abschalten von Kernkraftwerken völlig überfordert war. Eine weitere indirekte Folge des Bebens waren die Schäden an den Reaktoren von Fukushima. Ganze Landstriche wurden mit Strahlung kontaminiert und sind auf Jahrzehnte unbewohnbar. Die Zahl der Opfer wird mit über 15.800 angegeben. Seitdem hat eine ganze Reihe von weiteren Beben das Land erschüttert, allerdings war keines so schwer wie das Beben von 2011.
Leben mit der Erdbebengefahr
Bedingt durch die Gefährdungslage sind die Bauvorschriften in Japan sehr streng. Nach dem großen Erdbeben von Kobe im Jahre 1995 wurden die Gesetze verschärft. Erdbebensicheres Bauen steht dabei im Mittelpunkt. Vor allem die vielen Wolkenkratzer müssen auch stärkere Erdbeben unbeschadet überstehen. Bauliche Veränderungen werden nur nach eingehender Prüfung zugelassen. Nur so ist es zu erklären, dass die vielen Erdbeben in Japan verhältnismäßig wenig Schäden an Gebäuden anrichten.
Das schwere Beben von 2011 hat allerdings gezeigt, dass die Vorschriften nicht für Gebäude mit hoher Sensibilität wie Kernkraftwerke ausreichen. Neue Vorschriften sind erlassen worden, die solche Bauten nicht nur erdbebensicher machen sollen, sondern die sie auch vor Tsunamis schützen. Im Alltag kommen die Japaner mit den häufigen Beben gut klar. Sie lernen bereits in der Schule die wichtigsten Verhaltensregeln, die während eines Erdbebens zu beachten sind. Schutz unter dem Tisch suchen und sich von Fenstern fernzuhalten sind dabei erste Schutzmaßnahmen. Regelmäßig werden Übungen abgehalten, um das Verhalten während eines Bebens zu proben. Am 1. September eines jeden Jahres findet in ganz Japan eine Katastrophen-Übung statt. An diesem Tag, dem Jahrestag des großen Kanto-Erdbebens von 1923, wird in allen Schulen, Bürogebäuden und Fabriken das richtige Verhalten während eines Erdbebens geübt. Die Routine führt dazu, dass Japaner sich durch leichte Erdbeben in ihrem normalen Alltag kaum stören lassen. Panikaufläufe und aus den Häusern rennende Menschen sind in Japan nur bei sehr starken Beben zu beobachten.
Ausbau des flächendeckenden Frühwarnsystems
Ein flächendeckendes Frühwarnsystem, mit dem die Menschen über Handys und andere Medien vor bevorstehenden Erdbeben gewarnt werden, hilft dabei, die Opferzahlen so gering wie möglich zu halten. Seit 2007 wird der Alarm fünf Sekunden vorher ausgelöst. Diese Zeit reicht gerade aus, um sich unter dem Tisch oder in Türrahmen in Sicherheit zu bringen. Die Warnung wird an Rundfunksender und Mobilanbieter gesendet, die die Hörer und Handynutzer durch einen lauten Warnton auf das bevorstehende Beben aufmerksam machen. Waren zunächst nur Bürogebäude und Fabriken in das Warnsystem einbezogen, wurde es mittlerweile auch auf Privathäuser ausgedehnt. Viel Geld wurde in die Entwicklung hochwertiger Messinstrumente investiert. Durch die genauen Messinstrumente ist eine klare Eingrenzung des gefährdeten Gebiets möglich. Das System sorgt außerdem dafür, dass die Shinkansen-Schnellzüge sofort gestoppt werden, sodass ein Entgleisen nicht möglich ist.
Trotz der guten Vorbereitung auf die Erderschütterungen hat gerade das letzte große Erdbeben gezeigt, wie gefährdet die Menschen in Japan leben. Eine erschreckende Zunahme der Erdbebenstärke ist in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen gewesen. Das Frühwarnsystem der japanischen Regierung, das bis 2011 gut funktionierte, hat sich mittlerweile als unzureichend erwiesen. Die Vorausberechnung der Erdbebenstärken erweist sich zunehmend als unzuverlässig. Es sind deshalb Maßnahmen geplant, mit denen die Menschen zukünftig noch besser erreicht werden können. Dem Schutz vor Erdbebenkatastrophen wird in Japan ein großer Stellenwert beigemessen, um die Gefahren für die Bevölkerung so weit wie möglich zu minimieren.