Japan Atomkraftwerke
Der Startschuss für das japanische Atomzeitalter fiel 1955. Die damalige Regierung erliess das Atomenergiegesetz und das „Gesetz zur Einrichtung der Atomenergiekommission und der Atomenergiesicherheitskommission“. Die Atomenergiekommission (JAEC) wurde im folgenden Jahr gegründet, deren Aufgabe damals die Erarbeitung von Richtlinien und die Weiterverfolgung der Nutzung von Kernenergie war.
Die ersten Kernkraftwerke
Mitte der 60er Jahre ging mit „Shimane“ in der gleichnamigen Präfektur das erste Kernkraftwerk Japans ans Netz. Innert 10 Jahren folgten schnell weitere Reaktoren. Bis Ende der 70er Jahre waren landesweit über 20 Kernkraftwerke am Netz. 28 weitere folgten in den 80er und 90er Jahren. Dazu kam zwischen 1955 und 1998 eine Reihe von insgesamt 24 Forschungsreaktoren, die nicht zur Stromerzeugung genutzt werden, sondern zu Forschungszwecken in den Bereichen Medizin und Technik gebaut wurden. Dort werden kern- und materialtechnische Untersuchungen angestellt und sie werden zur Isotopenproduktion verwendet.
Im Jahre 1978 wurde dann die Atomenergiesicherheitskommission (NSC) als Überwachungsinstanz aus der JAEC ausgegliedert. Das Aufgabengebiet der ISO 9001-zertifizierten NSC umfasst seither die Überwachung der Atomaufsichtsbehörde und deren Beratung in Sicherheitsfragen, die Festlegung von Richtlinien zur Sicherheit für kerntechnische Anlagen und den Strahlenschutz sowie die Analyse von Nuklearunfällen und die Beratung der japanischen Regierung im Fall von nuklearen Notfällen. Beide Kommissionen, JAEC und NSC, sind ähnlich organisiert und der Behörde für Wissenschaft und Technologie unterstellt. Drei Jahre später erschien der erste Bericht zum Thema Nuklearsicherheit.
Debatte über Stromgewinnung
Seit dem verheerenden Erdbeben in der Tohoku-Region im März 2011, in dessen Folge es zu einer schrecklichen Unfallserie im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi kam, herrscht eine hitzige Debatte über die Stromgewinnung im Land der aufgehenden Sonne. Noch im Vorjahr erzeugten die Japaner in etwa gleich viel Strom aus Kernkraft, Kohle und Erdgas. Neben den 55 bereits bestehenden Atomkraftwerken, welche über 45 000 Megawatt produzierten, waren 2010 zwei Reaktoren im Bau und zwölf in Planung. Geplant war, die Leistung bis 2010 auf 70 000 Megawatt zu erhöhen.
Da es in Japan in unregelmäßigen Abständen zu teils heftigen Erdbeben kommt, gelten strenge Vorschriften für den Bau von Kernkraftwerken. Dazu gehören u. a., dass sämtliche Kernkraftwerke auf felsigem Untergrund gebaut und mit Seismographen ausgerüstet sind und bei Erdstößen ab einer gewissen Stärke heruntergefahren werden.
Schutz der Kraftwerke
Zudem werden Kraftwerke in Küstengebieten von einer hohen Mauer umgeben, um sich gegen Tsunamis zu schützen. Nachdem es 1995 in Kobe zu einem Erdbeben der Stärke 7,3 auf der damals geltenden japanischen Magnitudenskala kam, wurden die Bauvorschriften 2006 gar noch verschärft. Dies nutzte im Fall des letzten Nuklearunfalls von Fukushima aber nichts, da die dortigen Kernreaktoren allesamt aus den späten 60er- und frühen 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts stammen. Darüber hinaus war die Stärke des Tohoku-Bebens jenseits der geltenden Vorschrift, dass Kraftwerke einem Erdstoß von der Stärke 7,75 – in speziell gefährdeten Gebieten 8,25 – standhalten müssen. Der Großteil der Kernkraftwerke wurde aber bereits vor dieser Verschärfung der Richtlinien gebaut. Während der Fukushima-Katastrophe wurden durch das NSC regelmässig Auswertungen zur Strahlenbelastung veröffentlicht, weshalb die Aufsichtsbehörde den Vorfall auf Stufe 7 (katastrophaler Unfall) einordnete.
2007 wurden die Jahre zuvor beschlossenen Richtlinien denn auch von einem japanischen Seismologen kritisiert, der auch die Unabhängigkeit der NSC in Frage stellte. Die daraufhin durchgeführte Untersuchung der internationalen Atomenergie-Organisation IAEO stellte fest, dass die Richtlinien abstrakt, unverbindlich und nicht überprüfbar seien, also kurz gesagt nutzlos.
Im Juli 2011 kündigte der damalige und inzwischen abgewählte Ministerpräsident Naoto Kan an, langfristig aus der Kernkraft aussteigen zu wollen. Ende August 2011 waren noch 18 Kernreaktoren in Betrieb. Der auf Naoto Kan folgende Ministerpräsident Yoshihiko Noda will am schrittweisen Ausstieg festhalten, hat 2040 als Ausstiegsjahr definiert und schloss folgerichtig den Bau neuer Reaktoren praktisch aus. Das entsprechende Strategiepapier wurde im Herbst 2012 im Rahmen einer Kabinettssitzung allerdings verworfen. Im Dezember 2011 waren noch neun Kernkraftwerke am Netz, drei Monate später noch deren zwei. Seit Mai 2012, als der letzte noch am Netz laufende Reaktor wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet wurde, ist Japan atomstromfrei.
Scheitern an dem geplanten Ausstieg
Gründe für das Scheitern des geplanten Ausstiegs waren, dass ein solcher die Wirtschaft belasten und zu hohen Mehrkosten führen würde. Denn Japan hat ein Problem: Durch seine geographische Lage als Inselstaat ist es nicht mit dem asiatischen Festland verbunden, kann somit auch keinen Strom von benachbarten Staaten importieren und kann es sich daher eigentlich nicht leisten, alle Atommeiler abgeschaltet zu lassen. Die Importkosten für Öl, Kohle und Gas wären auf Dauer nicht tragbar.
Trotzdem weigert sich die Mehrzahl der lokalen Behörden, die Reaktoren wieder hochzufahren. Die Regierung einigte sich dann zwar grundsätzlich auf eine Energiewende, liess den Zeitpunkt der Kraftwerks-Stilllegung allerdings offen. Öffentliche Umfragen zeigen, dass rund 70% der japanischen Bevölkerung den Ausstieg aus der Atomenergie begrüssen würden. Bis heute gibt es in Japan auch keine konkreten Pläne zur Endlagerung des radioaktiven Abfalls. Die abgebrannten Elemente werden nach La Hague in Frankreich und ins britische Sellafield transportiert, der dabei anfallende radioaktive Abfall wird im japanischen Rokkasho zwischengelagert, wo sich auch eine Wiederaufbereitungsanlage befindet.