Sturmflut
Eine Sturmflut entsteht bei auflandigem Wind in Kombination mit einem erhöhten Tidenstrom oder einfacher erklärt, wenn ein Sturm vermehrt Wasser gegen die Küstenbereiche drängt, kommt es zu Überflutung ungeschützter Landstriche. Die Nordsee mit ihren angrenzenden Küstengebieten sind das wohl am meisten Sturmflut gefährdete Gebiet weltweit. Hier treten jährlich im Zeitraum von November bis März die sogenannten Herbst- und Winterstürme auf. Allerdings spricht man erst von einer Sturmflut, wenn das mittlere Hochwasser um mehr als 1,5 Meter überstiegen wird. Eine schwere Sturmflut ist erreicht, wenn das mittlere Hochwasser um mehr als 2,5 Meter überschritten wird und eine sehr schwere Sturmflut muss einen 3,5 Meter höheren Pegel erreichen als das mittlere Hochwasser.
Sturmfluten in der Nordsee
Die häufigen Sturmfluten in der Nordsee sind durch die Geografie der Nordseeküste bedingt und werden durch den Trichtereffekt des Elbe-Weser-Dreiecks verstärkt. Die Auswirkungen der Sturmfluten werden an der gesamten Nordseeküste durch die Errichtung von Deichen abgemildert. Ohne diese Landschutzmaßnahmen würden weite Bereiche dieses Landstrichs mehrmals jährlich überflutet werden. Eine Sturmflut erzeugt enorme Energien, die die Wellen an die Küstengebiete abgeben.
Im Mittelalter schufen mehrere Sturmfluten einen völlig neuen Küstenverlauf an der Nordseeküste und erschufen den Dollart sowie auch den Jadebusen. Bereits die Römer berichteten von den verheerenden Auswirkungen von Sturmfluten an der Nordseeküste, jedoch gibt es keine zuverlässigen Daten über den Landverlust oder die Anzahl der Todesopfer. Die erste verzeichnete Flut soll um 340 vor Christus datiert sein und wird als cimbrische Flut bezeichnet. Eine Sturmflut, die zwischen 120 und 115 vor Christus in Jütland zahllose Tote gefordert haben soll, wird als einer der Faktoren für die Völkerwanderung der Kimbern und Teutonen genannt. Als Flandern um das Jahr 1134 eine verheerende Sturmflut erlebte, entstand ein neuer Seearm, der bis nach Brügge reichte und somit durch einen Kanal der Stadt einen Meereszugang verschaffte. Die Opferzahl der Julianenflut im Raum von Ostfriesland, Weser und Elbe soll bei 20.000 Mann liegen.
Sturmfluten ließen in einer Nacht ganze Inseln verschwinden
Die schlimmsten Sturmfluten im Mittelalter waren die erste Marcellusflut 1219 und die zweite Marcellusflut 1362, die allgemein auch die ‚Grote Mansdränke‘ genannt wird. Beide Sturmfluten gestalteten die Küstengebiete sehr nachhaltig um. Inseln verschwanden in einer Nacht oder wurden in zwei Teile gespalten, das Festland verlor ganze Landstriche an das Meer und die erste Marcellusflut schuf das IJsselmeer, auch Zuidersee genannt. Ganze Dörfer wurden komplett hinweg gespült und man gibt die Zahl der Toten mit 36.000 Toten an.
Bei der Grote Mansdränke sollen sogar um die 100.000 Menschen umgekommen sein. Doch diese Zahl erscheint einigen Experten als viel zu hoch. Trotzdem soll die Opferzahl erheblich über der der ersten Marcellusflut gelegen haben. 30 Dörfer wurden in dieser Sturmflutnacht zerstört, andere wurden über Jahre hinweg zu Inseln wie Asel bei Wittmund. Die Niederlande hatten seit dem Mittelalter jedes Jahr mit einer Sturmflut zu kämpfen und erst nach der Buchardiflut am 11.Oktober.
Umbruch beim Deichbau
1634 kam es zu einem Umdenken in Bezug auf den künstlichen Deichbau. Im Zwanzigsten Jahrhundert gilt die Flutkatastrophe von 1953, die vor allem England und die Niederlande betraf, als die Schlimmste überhaupt. Die für Norddeutschland so verheerende Flut vom 17.Februar.1962 gilt nicht als schwere, sondern mittlere Sturmflut. Trotzdem wurden diese Sturmfluten zum Anlass für umfangreiche Maßnahmen zum Küstenschutz an der gesamten Nordseeküste genommen. Es wurden Deltawerke und Speerwerke errichtet sowie der Deichbau verstärkt.
Dank dieser Maßnahmen verliefen die anschließenden mittleren und schweren Sturmfluten für diese Küstenbereiche sehr milde und verursachten kaum Schäden. Dies begründet sich in dem inzwischen sehr ausgeklügelten Deichbausystem. Vor dem Hauptdeich liegt zumeist Deichvorland, das die Wellen bricht und ihnen einen Großteil der Energie raubt, bevor sie auf den Hauptdeich treffen. Wird der Deich direkt am Wasser errichtet, benötigt er davor einen Schardeich.
Die globalen Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels
Es gibt vielfältige Folgen durch den Anstieg des Meeresspiegels, der sich in vermehrten Überflutungen niedrig liegender Küstengebiete weltweit zeigt. Durch die häufiger werdenden Sturmfluten kommt es zu vermehrter Erosion der Küstenbereiche, wodurch die Sturmfluten noch höher auflaufen können. Außerdem kommt es zu einer zunehmenden Versalzung des Grundwassers und somit zu einer Verringerung der vorhandenen Trinkwasserreserven, wenn Meerwasser ins Landesinnere vordringt.
Wie stark eine Küstenregion durch Sturmfluten gefährdet ist, hängt von ihrer Form ab. Steile Felsküsten bleiben von Sturmfluten weitgehend unbeschadet, während Deltas oder Sandküsten stärker gefährdet sind. Allerdings sind flache Küstenstreifen und Deltas bevorzugte Siedlungsgebiete der Menschen, was bei einer Sturmflut zu hohen Opferzahlen führen kann.
Folgen des steigendes Meeresspiegels
Wenn der Meeresspiegel ansteigt, liegen weltweit 2 Millionen Quadratkilometer Küstenbereiche weniger als 2 Meter über der mittleren Hochwasserlinie und sind von einer Überflutung stark gefährdet. Diese Bereiche sind aber auch begehrte Siedlungsräume und 1995 wurde errechnet, dass rund 60 Millionen Menschen in Küstenregionen leben, die 1 Meter über der mittleren Hochwasserlinie liegen. Bis zu einer Höhe von 5 Metern über der mittleren Hochwasserlinie leben schätzungsweise 275 Millionen Menschen weltweit. Und diese Entwicklung bedroht auch Metropolen. Immerhin liegen 8 der 10 größten Städte weltweit in diesen Bereichen und wären von den vermehrten Sturmfluten betroffen.
Zudem gehen die Prognosen davon aus, dass die Bevölkerungsdichte in diesen Bereichen weiter ansteigt und sich bis zum Ende des 21.Jahrhunderts beinahe verdoppeln wird. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung wären verheerend und könnten nur durch hohe Kosten für den Küstenschutz, wie es in den Niederlanden konsequent betrieben wird, vermieden werden. Ein Teil der Niederlande wurde wortwörtlich dem Meer abgerungen und liegt deshalb unterhalb des Meeresspiegels. Die in den Niederlanden vorgenommenen Küstenschutzmaßnahmen gelten weltweit als führend und beispielhaft.
Küstenschutz ist die einzige Antwort auf Sturmfluten weltweit
Hinsichtlich des weltweit erwarteten Anstiegs des Meeresspiegels gewinnt der Küstenschutz global an Bedeutung. Allerdings gibt es nicht nur eine Maßnahme, die die Küstenregionen weltweit schützen kann. Die Verhältnisse vor Ort sind für die richtigen Maßnahmen entscheidend. Während man an der Nordseeküste auf Deichbau und Speerwerke zum Schutz der Küste setzt, ist im Pazifik der Schutz der Korallenriffe oft der beste Schutz vor Sturmfluten und ihren Folgen.
Intakte Korallenriffe können bis 85 Prozent der Energie einer auftretenden Sturmflut absorbieren und sind daher unerlässlich im Küstenschutz in jenen Bereichen. Allerdings wird oft auch auf die Evakuierung der betroffenen Küstenlandstriche gesetzt. Da werden ganze Dörfer umgesiedelt. Der Inselstaat Palau hat zum Beispiel mit Neuseeland für den Fall einen Vertrag geschlossen, dass ihre Inseln aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels im Meer versinken. Dann soll Neuseeland die Bevölkerung aufnehmen und ihnen Lebensraum zur Verfügung stellen.
Situation in den USA
Die extremen Auswirkungen von Sturmfluten erlebten die US-Amerikaner am 29.Oktober. 2012, als der Hurrikan ‚Sandy‘ auf die Ostküste der USA traf. Bis zu 7 Meter hohe Wellen sorgten für erhebliche Schäden und Küstenerosion. ‚Sandy‘ sorgte dafür, dass die globale Erderwärmung und das Ansteigen des Meeresspiegels in das Bewusstsein der Amerikaner drang. Auch die Weltöffentlichkeit wird erkennen müssen, welchen starken Einfluss die Erhöhung der Meeresspiegel und eine zunehmende Häufigkeit von Sturmfluten auf das Leben der Menschen in Küstengebieten nehmen wird.
Sturmfluten kommen weltweit vor, wobei sie in Asien und Ostasien vor allem durch Taifune erzeugt werden. Allerdings können auch Tsunamis, die allerdings eine Flutwelle aufgrund eines Erdbebens sind, die gleichen Verwüstungen nach sich ziehen wie eine mittlere oder schwere Sturmflut. Doch wo immer große Wassermassen auf Menschen im Küstenbereich treffen, verliert der Mensch. Darum sollten die Ursachen für den Anstieg des Meeresspiegels und zunehmende Häufigkeit von Sturmfluten verringert und der weltweite Küstenschutz muss in Angriff genommen werden.