Costa Concordia
Die Costa Concordia war mit einem Volumen von 114.147 BRZ das bislang größte Mittelmerkreuzfahrtschiff und gehörte der italienischen Reederei „Costa Crociere“, einer Tochterfirma des weltgrößten Kreuzfahrtunternehmens „Carnival Corporation“. Der Bau des Schiffs vom Typ Concordia begann 2004 mit der Baunummer 6122 in der italienischen Werft „Fincantieri in Sestri Ponente“ und kostete bis zur endgültigen Fertigstellung 450 Millionen Euro. Die gehobene Ausstattung wurde vom Designer Joseph Farcus entworfen, der auch die meisten anderen Kreuzfahrtschiffe der Reederei gestaltete. Die verschiedenfarbigen Decks orientierten sich an den europäischen Ländern, nach denen sie auch benannt wurden. Das Schiff verfügte über einen extra großen Wellnessbereich auf einem separaten Deck sowie über die üblichen Salons und Freizeiteinrichtungen.
Am 07.07.2006 fand die Schiffstaufe der Costa Concordia im Hafen von Civitavecchia statt. Taufpatin war das Top-Model Eva Herzigova. Anwesende Seeleute zeigten sich entsetzt, als die Flasche dabei nicht zerbrach, was als schlechtes Omen gilt. Am 12.07.2006 lief die Costa Concordia zu ihrer Jungfernfahrt aus und transportierte bis zum 22.11.2008 tausende Urlauber. An diesem Tag rammte das Schiff aufgrund heftiger Sturmböen bei der Einfahrt in den Hafen die Hafenanlagen von Palermo und wurde leicht beschädigt, jedoch schnell wieder repariert. Im Jahr 2010 diente die Costa Concordia als Filmkulisse für den gesellschaftskritischen Film „socialism“ von Jean-Luc Godard. Die Geschichte des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia endete am Abend des 13.01.2012 mit dem Auflaufen auf Grund vor der Küste der Mittelmeerinsel Giglio.
Der 13. Januar 2013 – Technisches Protokoll
Das Schiff befand sich am Abend des 13.01.2013 auf einer der üblichen einwöchigen Kreuzfahrten im westlichen Mittelmeer Richtung Savona. Es hatte etwa 3.200 Passagiere und 1.000 Besatzungsmitglieder an Bord und steuerte mit 29 km/h die Insel Giglio an. 21.37 Uhr riss das AIS-Signal ab, das automatisch die Schiffsposition durchgibt. Kurz danach havarierte die Costa Concordia, indem sie einen Felsvorsprung des Riffs „Le Scolevor“ rammte.
Erst 21.53 Uhr wird von der Küstenwache wieder ein Signal empfangen. Das Schiff fuhr zu diesem Zeitpunkt nur noch 5 km/h und ist einige Kilometer nordwestlich der letzen Positionsmeldung entfernt. Erst um 22.45 Uhr erreichte ein Notruf die Küstenwache. Zwischenzeitlich wandte sich die Costa Concordia nach Süden und versuchte, den Hafen von Giglio anzufahren, der sich 1,3 Kilometer entfernt befand. 500 Meter vor der Hafeneinfahrt lief das Schiff auf Grund und erlangte innerhalb weniger Stunden fast 90 Grad Schlagseite. (Quelle: marinetraffic.com)
Bewegendes Unglück
Das Unglück bewegte die ganze Welt, vor allem das Verhalten des Kapitäns Schettino nach der Havarie. Später wurde das Unglück als menschliches Versagen klassifiziert und wie folgt rekonstruiert: Kapitän Francesco Schettino ordnete an, der kleinen Nebeninsel Scola piccola nahe zu kommen, um mittels Beleuchtungsspielerei einem Hotel in Ufernähe zu „winken“. Das hätte er früher schon oft getan. Diesmal hatte sich der Kapitän, der später als selbstherrlicher Lebemann beschrieben wird, allerdings um einige Meter verschätzt. Er selbst soll zum Zeitpunkt der Kollision gar nicht auf der Brücke gewesen sein. Die Costa Concordia wurde auf einer Länge von 70 Metern backbordseitig förmlich aufgeschlitzt und lief schnell mit Wasser voll. Das Schiff soll nur bei einem Riss bis 12 Meter und zwei gefluteten Abteilungen sicher sein. Laut Aussage des Technischen Offiziers waren bereits unmittelbar nach der Kollision fünf Kammern geflutet.
Das Schiff war vor der angeblichen Wendung nicht mehr manövrierfähig, obwohl Schettino später behauptete, er hätte eigenhändig das Schiff Richtung Hafen gesteuert. Tatsächlich wurde die Costa Concordia in einer großen Schleife (aufgrund der beginnenden Schräglage) von Strömung und Wind in Richtung Ufer „zurückgeschoben“, wo sie schließlich im relativ flachen Wasser, 500 Meter vor der Hafeneinfahrt und entgegen der Fahrtrichtung, endgültig auf Grund lief und sich schnell seitwärts neigte.
Das Ende einer Kreuzfahrt – die verpatzte Rettungsaktion
Die Passagiere, die größtenteils noch beim Abendessen saßen, vernahmen einen heftigen Stoß, der das gesamte Schiff erschütterte. Lichter flackern und die Besatzung sprach von einer „technischen Panne mit der Stromversorgung“. Zum Zeitpunkt dieser Durchsage ist es 21:54 Uhr. Die Kollision muss etwa zehn Minuten vorher stattgefunden haben, also zwischen dem Abreißen des Signals (21.37 Uhr) und dem Wiederauffangen des Signals (21.53 Uhr). Es wird vermutet, dass der Kapitän das automatische Signal absichtlich abstellen lies, um sein waghalsiges Manöver in Küstennähe zu vertuschen, wohl wissend, in welche Gefahr er Mensch und Schiff brachte.
Erst um 22.30 Uhr wird das Horn-Signal zur Evakuierung gegeben, 22.36 Uhr werden die Passagiere aufgefordert, Rettungswesten anzulegen. Die Costa Concordia ist zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelaufen. Ein offizieller Notruf an die Küstenwache erfolgte erst um 22.45 Uhr. Bis dahin war seitens der Costa Concordia lediglich von einem „Stromausfall“ die Rede. Trotzdem informierte die Küstenwache alle verfügbaren Boote. Das erste Boot erreichte um 22.39 Uhr das havarierte Schiff und kann einige Passagiere aufnehmen, die ins Wasser gesprungen waren. Ab 23.00 Uhr befanden sich alle drei Inselfähren vor Ort, ab 00.20 Uhr waren insgesamt acht Hubschrauber im Einsatz.
Kapitän rettet sich als erstes
Die Rettungsaktion an Bord selbst verlief dabei chaotisch. Die unzureichend ausgebildete Besatzung war überfordert und hatte mit Sprachproblemen zu kämpfen. Kaum jemand sprach deutsch, obwohl zwei Drittel der Passagiere Deutsche waren. Das „Wassern“ der Rettungsboote bereitete zudem erhebliche Schwierigkeiten. In eines der ersten Rettungsboote springt Kapitän Schettino, der sich später damit herausredet, dass er „hineingefallen“ wäre.
Beispiellos war auch das Funkgespräch zwischen Kapitän und Hafen-Kommandanten, der den jammernden Schettino wiederholt und nachdrücklich auffordert, an Bord seines Schiffes zu gehen, um die Rettungsarbeiten zu koordinieren. Zwölf Personen starben noch während der Rettungsaktion an ihren Verletzungen, einige wurden tot aus dem Wasser gezogen oder später tot am Ufer gefunden. Gegen 06.00 Uhr gilt die Evakuierung als abgeschlossen.
Drei Personen wurden Tage später (am 15.01.2012) lebend aus dem gefluteten Schiffsrumpf gerettet. Aus dem Wrack selbst bergen Taucher bis Ende März 13 Leichen, so dass bei dem Schiffsunglück insgesamt 32 Menschen den Tod fanden, davon zwölf Deutsche. Zwei Personen gelten weiterhin als vermisst.
Eine Insel im Mittelmeer kämpft um ihren Ruf
Die Überlebenden wurden von den Einwohnern der kleinen Insel Giglio aufgenommen und in Schulen, Kirchen, Krankenhäusern und Privatunterkünften versorgt. Im Juni 2012 wurden die Bewohner gemeinschaftlich mit dem silbernen Banner der Region Toskana geehrt, mit der Begründung „sie hätten mit ihrer mutigen und solidarischen Hilfe den harten Schlag, den das Verhalten des Kapitäns ihrem Land zugefügt hat, wiedergutgemacht“.
Im September folgte eine Auszeichnung für eines der ersten Rettungsschiffe, die „Seafarer of the Year“. Tatsächlich soll sich sogar der Vizebürgermeister von Giglio in der Unglücksnacht gegen 01.00 Uhr persönlich auf das Schiff begeben und dort, zusammen mit einem Offizier, etwa 500 eingeschlossene Passagiere mithilfe von Leitern aus dem bereits gefluteten Schiffsrumpf befreit haben. Dieser Offizier sei der einzige Verantwortliche gewesen, den er zu diesem Zeitpunkt auf der Costa Concordia gesehen hätte.
Das Schiffswrack befindet sich noch immer vor der Insel (Stand: Februar 2013). Die Schiffsbergung gestaltet sich schwierig und gefährdet, aufgrund der im Schiffsinnern befindlichen 2.200 Tonnen Treibstoff, die Naturreservate der Umgebung. Die Bergungsarbeiten sollen nunmehr erst Mitte 2014 abgeschlossen sein. Inzwischen hat sich ein regelrechter „Wrack-Tourismus“ entwickelt. Kapitän Francesco Schettino sitzt seit dem Unglück in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess. Inwieweit die Reederei zur Verantwortung gezogen werden kann, wird geprüft. Zwei Drittel der Überlebenden haben bisher eine pauschale Entschädigung von 11.000 Euro angenommen, ein Drittel erwägt eine Sammelklage.