Kursk

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als mit dem Wegfall des Deutschen Reiches klar war, dass nur noch zwei Supermächte fortbestehen werden, begann vor dem Hintergrund immer stärker werdender Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion das militärische Wettrüsten. Bereits wenige Jahre nachdem die US-Amerikaner durch die Anstrengungen des Manhattanprojektes unter Zuhilfenahme von Wissenschaftlern aus allen Teilen der Welt es schafften, die erste Atombombe der Welt zu entwickeln, zogen die Sowjets mit einer eigenen Entwicklung nach. Auf jede Entwicklung der einen Supermacht folgte auf den Fuß das Pendant der anderen Supermacht.

Nach und nach kristallisierten sich aber gewisse Präferenzen. Beispielsweise waren die sowjetischen Kampfflieger deutlich agiler als die US-amerikanischen Jets, was sie im sogenannten „Dogfight“ gefährlicher machte. Auf der anderen Seite verfügten die Kampfjets aus dem Westen über eine bessere elektronische Ausstattung, was ihnen vor allem auf höheren Distanzen zum Zielobjekt Vorteile im Vergleich zu den sowjetischen MIGs und Suchois einbrachte.

Sowjets entwickeln immer neuere U-Boote

In maritimer Hinsicht legten die USA ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung von Flugzeugträgern, während die Sowjets die Entwicklung immer neuerer U-Boote vorantrieben. Eine der letzten in der Sowjetunion vor ihrer Auflösung entwickelten und in dem Nachfolgerstaat Russland gebauten U-Boote war die K-141, die auf den Namen „Kursk“ getauft wurde. Sie war ein U-Boot des Projekts 949 A, dessen Bezeichnung in der NATO Oscar II lautet. Die ersten Bauarbeiten begannen kurz vor der Auflösung der Sowjetunion, also im Jahre 1990; vier Jahre später war sie fertig gebaut und wurde der russischen Kriegsmarine übergeben, wo sie Teil der Nordmeerflotte wurde.

Als atomangetriebener Unterwasserraketenkreuzer war sie jedem westlichen Gegenstück technisch und von ihrer Größe her weit überlegen. Anders als die übrigen Atom-U-Boote der Russen war die Aufgabe der Kursk nicht, im Falle eines Atomkonflikts mit den USA zu einem nuklearen Gegenschlag auszuholen. Dafür spricht allein schon der Umstand, dass die Kursk über keine ballistischen Raketen verfügte, sondern ausschließlich über Marschflugkörpern und Anti-Schiffsraketen. Somit war ihre Bestimmung, feindliches Kriegsgerät, allen voran die großen Flugzeugträger der USA im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zu bekämpfen.

Die Katastrophe

Bemerkenswert ist, dass man die Kursk bereits vier Jahre nach ihrer Indienststellung wieder modernisierte. Zu den Modernisierungsarbeiten gehörte in erster Linie die Installierung neuer, modernerer Waffensysteme. Hintergrund dieser übereilt erscheinenden Maßnahmen war, ein Zeichen der Stärke zu setzen. Nachdem die NATO das ehemalige Jugoslawien angriff und so einen Krieg vor der „Haustür“ Russlands begann, fühlte sich der Kreml bedroht. Deshalb sollte das neue Flaggschiff der Nordmeerflotte in dem Gebiet wieder ein Zeichen der Stärke setzen und den auch nach dem Ende der Sowjetunion erhobenen Herrschaftsanspruch Russlands unterstreichen.

Doch der strenge Zeitplan für die Modernisierung des Unterwasserbootes machte die Arbeiten anfällig für Fehler, welche später zu einer Katastrophe führen sollte, bei der die fast 120 Mann umfassende Besatzung der Kursk ihr Leben verlieren musste.

Die Abfolge der Geschehnisse

Am 12. August 2000 registrierten norwegische Experten um 11:28 Moskauer Zeit eine Explosion in dem Seegebiet, in dem die Kursk unterwegs war. Zwei Minuten später wurde eine weitere, deutlich stärkere Erschütterung aufgezeichnet, dessen Ursprung für die Norweger, die bis dahin von der Anwesenheit der Kursk nichts wussten, unbekannt war. Später sollte sich herausstellen, dass die Explosion sich am Bord der Kursk ereignet hatte. Eines der Übungstorpedos der Kursk hatte einen Defekt, der dazu führte, dass der Raketenantrieb zu früh und unkontrolliert startete.

Die Versuche der Matrosen, die Torpedoöffnung zu öffnen, um so den Schwimmkörper abzuschießen, schlugen fehl. Der gestartete Raketenantrieb des Torpedos führte zu einem Leck an der Wasserstoffperoxidleitung, wodurch Sauerstoff und Wasserstoff freigesetzt wurden. Das Gefährliche an dieser Situation war, dass die ausgetretenen Gase den Schwimmkörper vergrößerten, sodass dieser explodierte und ein Loch in die Außenwand des U-Bootes riss.

Späteren Untersuchungen zufolge soll die Kommandobrücke bei dieser Explosion zerstört worden sein, bei der sowohl der Kapitän als auch der Großteil der Offiziere ums Leben kamen. Die Bordbesatzung versuchte zwar, durch Isolierung einzelner Sektionen die Flutung des gesamten U-Bootes zu verhindern, scheiterte allerdings bei diesem Vorhaben. Die Kursk sank nun führerlos in die Tiefe; etwa zwei Dutzend Matrosen konnten sich in einer Sektion in Sicherheit bringen.

Die Hilfe der USA, die der Kreml nicht haben wollte

Nachdem der Kreml von den Ereignissen informiert wurde, begannen unverzüglich die Rettungsmaßnahmen. Allerdings verfügten die Russen über keine entsprechenden Rettungsinstrumente. Zwar verfügte die Kriegsmarine der Russen über Rettungskapseln sowie Schleusen, um die Besatzung havarierter Boote in Sicherheit zu bringen. Da es sich bei der Kursk um ein gänzliches neues U-Boot handelte, waren die verfügbaren Rettungsschleusen, die für andere, wesentlich ältere Boote konzipiert worden waren, nicht kompatibel. Gleichzeitig lehnte Russland die von den Amerikanern und Norwegern angebotene Hilfe ab. Zu schlecht waren in dieser Hinsicht die Erfahrungen, die man mit den Amerikanern gemacht hat.

Als 1986 ein anderes U-Boot der Sowjets, die K-219, aufgrund eines bis heute unklaren Grundes beschädigt wurde und letztlich sank, boten die US-Amerikaner den Sowjets an, das Boot abzuschleppen. Doch damals wie auch im Jahr 2000 war vermutet worden, dass die Amerikaner ihre Hilfe nicht aus altruistischen Motiven anboten, sondern sich tiefere Einblicke in die moderne U-Boot- und Waffentechnik der Russen erhofften. Deshalb lehnte der Kreml auch dieses Mal die Hilfe der USA ab. Erst als ihre eigenen Bemühungen fehlschlugen, nahmen man fremde Hilfe an – von den Norwegern. Deren Taucher konnten allerdings nur noch feststellen, dass keines der 118 Besatzmitglieder der Kursk überlebt hatte. Ein Jahr nach der Katastrophe bargen die holländischen Konzerne Mammoet und Smit Internationale die Kursk, die dann in den russischen Hafen Rosljakowo geschleppt wurde.

Kritik an Russland: Starben russische Matrosen wirklich wegen der „Sturheit“ des Kremls?

Auch nach über zehn Jahren nach der Katastrophe ist die Kritik am Kreml laut: Russland hätte früher ausländische Hilfe annehmen sollen. Kritiker stützen sich dabei auf ein Abschiedsschreiben eines der Matrosen der Kursk, der die erste Explosion überlebt und sich zusammen mit anderen in einer Sektion vorläufig in Sicherheit bringen konnte. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass einige Matrosen noch heute am Leben wären, wenn der damalige russische Präsident Wladimir Putin die Hilfe der USA angenommen hätte. Kritisiert wird ferner die Informationspolitik der russischen Seite.

Lange Zeit behauptete das russische Militär, Grund der Katastrophe sei ein Zusammenstoß der Kursk mit einem US-amerikanischen Boot, das die Kursk ausspionieren wollte. Erst 2002 kam eine eigens eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass die Ursache der unkontrollierte Start eines Torpedos gewesen war. Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den verstorbenen Kapitän der Kursk, Gennadi Ljatschin, und dem Chef der Nordmeerflotte wurden Mitte 2002 wegen unzureichender Beweismittel eingestellt.

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