Globalisierung und Welthandel
Die Wurzeln sind schon in den Fernhandelsbeziehungen des Altertums zu finden. Auf allen Kontinenten haben Kulturen über Land- oder Wasserwege versucht, interessante Waren aus anderen Teilen der Welt zu beziehen. Allerdings beruht gerade der frühe Fernhandel in vielen Fällen auf Einzelpersonen, die sich mit Risikobereitschaft und sicher auch mit einer Portion Abenteuerlust unter Investitionen in Transportmittel oder -tiere und in Wareneinkauf auf den Weg in ferne Märkte gemacht haben, um die erstandenen Waren zuhause gewinnbringend zu verkaufen. Dabei handelte es sich in der Regel um Artikel, die das heimische Handwerk, die Landwirtschaft oder die Rohstoffe des eigenen Landes nicht liefern konnten. Luxusartikel und besondere Waffen gehörten zu den Schwerpunkten des Fernhandelssortiments in Altertum und Mittelalter.
Dabei agierten Handelsleute natürlich nicht unabhängig von der Politik. Händler folgten Armeen nicht nur zur Versorgung der Soldaten, sondern auch um in eroberten Gebieten und über dessen Grenzen hinweg Handel und Warenaustausch zu betreiben. Das ist in Europa natürlich vor allem für die römischen Feldzüge und Militärstützpunkte belegt. Aber auch die Wikinger beschränkten sich nicht nur auf Schrecken erregende Einfälle in die Gebiete anderer Stämme und Reiche, wie die Ausgrabungen in Haithabu belegen.
In einer nächsten Stufe organisiert sich der Fernhandel überregional. Bekannt ist der mittelalterliche Bund der Hansestädte, die im norddeutschen Raum und im Baltikum bis hin nach Westfalen den Kaufleuten der beteiligten Städte durch Organisation und gemeinsames Vorgehen im Gesetzgebungsbereich den überregionalen Handel erleichterte. Auch technisch sorgte die Zusammenarbeit für Erleichterungen, indem bewährte Transportmittel wie die Hansekogge weiterentwickelt wurden und Häfen den gemeinsamen Bedürfnissen angepasst wurden.
Kolonisierungspolitik als wichtiger Faktor
Entscheidend für die Entwicklung des Welthandels zu einem wichtigen Element der Globalisierung war aber die expansive Kolonisierungspolitik fast aller europäischen Staaten. Neben christlichen Missionstationen unter staatlichem Schutz waren Handelsniederlassungen ein wichtiger Baustein bei der Vorbereitung einer militärischen Unterwerfung der als Kolonien ins Auge gefassten Gebiete. Dabei konnte es sich um Gebiete mit einer eigenen komplexen Herrschafts- und Verwaltungsstruktur handeln oder um Gebiete mit einfacherer politischer oder Stammesstruktur.
Der teilweise in staatlichen Gesellschaften organisierte Handel hatte mit dem Bezug regionaler Spezial- und Luxusgüter, dem Verkauf eigener, vornehmlich preiswerter Erzeugnisse, der Informationsbeschaffung und der Suche nach möglichen Verbündeten im Sinne eines divide et impera mehrere Funktionen. Aus diesem heute eher kritisch betrachteten Ursprung rührt auch heutzutage noch das Unbehagen, dass Kritiker von Globalisierung und Weltwirtschaftssystem mit dem Welthandel ganz allgemein verbinden.
In der Tat bezeugen die meisten literarischen und privaten Quellen, die von Akteuren dieses frühneuzeitlichen Fernhandels verfasst wurden, von einem heute teilweise ignorant wirkenden Bewusstsein europäischer Überlegenheit über nichteuropäische Kulturen und Völker. Interessant ist, dass es sich bei Handels- und militärischer Expansion zur Erlangung überseeischer Kolonien um ein zentral-, süd- und westeuropäisches Phänomen handelt. Russland und China hatten eher kurze Perioden überseeischen Eroberungsdrangs und im Hinblick auf Kolonialisierung militärisch unterlegene Nachbarregionen auf dem asiatischen Kontinent im Auge. Russland hat Alaska als seine einzige überseeische und zu dem Zeitpunkt noch wenig kolonisatorisch durchdrungene Kolonie schließlich sogar ganz friedlich an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft. Die innereuropäische Konkurrenz und die relativ dichte Besiedlung des Kontinents hat neben der entwickelten Seefahrt dabei sicher eine Rolle gespielt.
Industrielle Revolution
Mit der von England ausgehenden industriellen Revolution haben sich technische und wissenschaftliche Entwicklung nicht nur in Europa und den bereits unabhängigen USA, sondern auch in den verschiedenen Kolonialreichen und den aus diesen Kolonien entstandenen Staaten verbreitet. Die entscheidenden Welthandelsplätze blieben aber bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordamerika und Europa.
Das änderte sich vor allem mit dem Aufstieg asiatischer Wirtschaftszentren wie Japan, Taiwan, Singapur und Hongkong. Der asiatisch-pazifische Raum mit seinen asiatischen Wirtschaftszentren und Australien als angelsächsisch dominierter ehemaliger Kolonie ist ebenso wie die südamerikanischen Staaten in seiner Wirtschaft nicht mehr auf Europa und die Vereinigten Staaten ausgerichtet. Diese Entwicklung ging seit Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts, vor allem aber in dessen zweiter Hälfte vor allem von großen Unternehmen aus.
Zu nennen sind beispielsweise die Investitionsgüterindustrie bei ihrer Suche nach Absatzmärkten oder die Nahrungs- und Genussmittelbranche mit dem Bestreben, die klimatische Begrenztheit des eigenen Marktes durch Import zu überwinden und günstig produzierte oder langfristig haltbar gemachte Waren zu exportieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg entdeckten größere Produktionsunternehmen mit hohen Anteilen manueller Arbeit die Möglichkeiten, die sich aus dem Wohlstands- und Lohngefälle zwischen den einzelnen Regionen der Erde ergaben. Billige Arbeitskräfte in den Ländern der so genannten Dritten Welt oder in Schwellenländern ermöglichen es, trotz günstiger Verkaufspreise Gewinne zu steigern. Voraussetzung ist hier vor allem eine funktionierende Logistik und entsprechende Rahmenbedingungen in den Ländern, in denen produziert wird.
Dass Unternehmen oder die sie vertretenden Regierungen teilweise versucht haben, auf diese Rahmenbedingungen auch zum Nachteil der zu rekrutierenden Arbeitskräfte Einfluss zu nehmen, gehört zu den Kritikpunkten an dieser Produktionsform. Auf der anderen Seite wurde so letztendlich auch ein Technologietransfer erreicht, mit dem man langfristig die Entwicklung von Konkurrenzunternehmen mit entsprechendem Know How selbst begünstigt hat.
Die Zeit vor der Jahrtausendwende
Seit dem letzten Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende ist bedingt durch die in weiten Teilen der Erde fast jedermann zugänglichen Kommunikationsmittel und durch die weite Verbreitung von internationalen Handelssprachen wie Englisch und Spanisch ein neues Stadium erreicht, das mit dem Begriff der Globalisierung umrissen wird. In vielen Ländern der Erde haben schon kleine Mittelstandsunternehmen und Selbstständige die Möglichkeit, ihre Produkte und Dienstleistungen international anzubieten oder einzelne Produkte zu beziehen. Die Zeitgrenzen werden dabei durch schriftliche Kommunikationsformen, allen voran das international kompatible E-Mail-System überwunden.
In seinen Gefahren und Möglichkeiten zeigt der Welthandel in seiner gegenwärtigen Komplexität ein sehr vielschichtiges Bild. Nischenproduzenten haben durch internationale Angebotsmöglichkeiten bessere Erfolgschancen. Die Anzahl der Menschen, die Zugang zu Produkten hat, die das Leben erleichtern können, vergrößert sich. Fast selbstverständlich wächst das Bewusstsein für die Verschiedenartigkeit der Menschen und Kulturen, manchmal auch das Interesse daran.
Auf der anderen Seite können lokale Wirtschaftssysteme auf Grund zunächst besser erscheinenden Imports durch den Verlust von Know-how so zerstört werden, dass eine spätere Reaktivierung kaum noch möglich ist. Die Entwicklung des Systems der in verschiedene Länder ausgelagerten Produktion zu Herstellungsketten über mehrere Kontinente kann bewirken, dass die manuelle Produktionsarbeit in ihrer finanziellen Wertschätzung gegenüber dem Logistik- und Organisationssegment so sehr an Bedeutung verliert, dass die Arbeit kaum noch den Arbeiter selbst ernährt. Der Gewinn wird bei hohem Logistikanteil zudem mit einer hohen Umweltbelastung erzielt. Psychologisch steht den medial visualisierbaren unbegrenzten Möglichkeiten die persönliche Begrenztheit des Einzelnen entgegen.