Mafia
Bewiesene Fakten, über den genauen Gründungszeitpunkt der Mafia, gibt es nicht. Während die kriminelle Organisation eine eigene Art von Ursprungslegende verbreitet, vermuten Forscher, dass die Anfangsformen der Mafia erst im 19. Jahrhundert auftraten und eng mit der Geschichte Siziliens verbunden sind. Im Laufe der Jahrhunderte war die Insel ein wichtiger Stützpunkt für Seefahrer und Kaufleute. Aus diesem Grund wurde Sizilien immer wieder von neuen Eroberern und Staaten eingenommen. Unter anderem besetzten auch Griechen, Karthager, Araber, Spanier und Österreicher die Insel. Im Zuge dieser Eroberungen wurde die Insel von Adligen und Staaten regiert, welche der Landbevölkerung nur wenig Beachtung schenkten und weitgehend sich selbst überließen. Aufgrund dieser Vernachlässigung wuchs in der Bevölkerung Siziliens ein tief verwurzeltes Misstrauen dem Staat und seinen ausführenden Organen gegenüber. Großpächter, welche als „Gabelloti“ bekannt waren, pachteten das Land von den Großgrundbesitzern, um es dann wieder an ortsansässige Bauern zu verleihen. Die Gabelotti sorgten für die Sicherheit und Ruhe auf ihren Ländereien und auch unter der Bevölkerung, zeitgleich verlangten sie im Gegenzug aber einen Teil der eingebrachten Ernte, den „pizzu“. Durch die fehlende Aufmerksamkeit des Staates gewannen die Gabelotti zunehmend an Macht, welche sie sich durch Gewalt und Korruption sicherten.
Als Sizilien im 19. Jahrhundert Italien zufiel, waren weder die Bevölkerung der Insel noch die Gabelotti von den neuen Gesetzen und der neuen Regierung angetan. Unbelegten Fakten zufolge gründete sich aus dem System der Gabelotti heraus eine Art vom kriminellen Geheimbund, welcher politisch interessiert und streng hierarchisch strukturiert war. Das damalige Ziel des Geheimbundes bestand in der Einflussnahme von Politikern. Korruption, Erpressung und Mord unliebsamer Politiker, um die eigene Macht zu festigen waren an der Tagesordnung. Die Mafia entwickelte sich zu einer Art von Schattenregierung und genoss trotz Gewaltandrohung und krimineller Energie das Vertrauen der sizilianischen Landbevölkerung.
Der Einfluss der Mafia in Politik und Wirtschaft
Seit jeher war es das Ziel der Mafia, sich Macht und Geld zu sichern. Diese Gründe und auch ihre historischen Wurzeln führten dazu, dass die kriminelle Organisation auch Einfluss in die Politik nahm und bestechliche Staatsmänner als Strohmänner der Mafia fungierten. Zeitweise wuchsen Politik und Mafia so eng zusammen, dass die Organisation sogar als „Staat im Staat“ bezeichnet wurde. Enorme Macht- und Statuseinbußen musste die Mafia unter Mussolinis Regentschaft in Kauf nehmen. Der Faschismus brachte eine totalitäre Staatsordnung mit sich und entzog der Mafia damit die Grundlagen ihrer Geschäfte.
Erschwerend hinzu kam, dass Mussolini ein erbitterter Gegner der kriminellen, sizilianischen Organisation war. Das italienische Staatsoberhaupt entsandte Cesare Mori, den „eisernen Präfekten“, zur Bekämpfung der Mafia auf Sizilien. Doch weder Faschismus noch Mori gelang es, die Mafia vollständig zu eliminieren.
Im Jahr 1943 gelang es der Organisation sogar, ihren Einfluss in Sizilien und Italien wieder zu festigen, indem sie die alliierten Truppen bei deren Besatzung in Sizilien unterstützte. Die Mafia wusste sich stets das Vertrauen der Bevölkerung und weitere Vorteile im öffentlichen Leben zu sichern. Der Bau von Krankenhäusern, eine kostenlose medizinische Versorgung und soziale Aktivitäten sind nur ein kleiner Teil davon, wie sich die Mafia bevorzugt der Öffentlichkeit präsentiert. Schutzgelder werden keineswegs nur erpresst, denn im Gegenzug sichert die Organisation Schutz und das Einschüchtern potenzieller Konkurrenten zu. Der Wettbewerbsvorteil für die von der Mafia unterstützten Firmen sind bedeutend höher, gleiches gilt auch für das Baugewerbe und die Gastronomie.
Die Cosa Nostra und ihre Strukturierung
Das Erfolgsgeheimnis der sizilianischen Mafia liegt in ihrer hierarchischen Struktur, welche strengen Regeln und Traditionen folgt. Die Organisation selbst ist in einzelne Zellen aufgeteilt, den sogenannten Familien. Die Mafia im eigentlichen Sinn war eine patriarchisch geprägte Vereinigung, den Frauen fiel die Aufgabe anheim, ihren Kindern den Kodex der „Familie“ weiterzugeben. Der innere Kern der cosca – der Familie – wurde meist aus blutsverwandten und angeheirateten Angehörigen gebildet. Als Außenseiter oder Fremder Aufnahme in der Mafia zu finden, war und ist noch immer äußerst schwierig.
Das Vertrauen, die Ehre und auch die Schweigsamkeit stehen für alle Mitglieder der Organisation an oberster Stelle und ein potenzieller Anwärter muss sich erst in diesen Punkten bewähren. Bei einem äußerst brutalen Aufnahmeritus, wie beispielsweise ein Raubüberfall oder Mord, muss der Neuling seine Loyalität und Skrupellosigkeit unter Beweis stellen. Wer einmal Mitglied der Mafia war, blieb dies sein Leben lang – oder bezahlte seinen Verrat mit dem Tod. In der heutigen wie auch damaligen Form der Mafia werden die Familien und deren Oberhäupter von einem „capo dei tutti capi“, einem Boss der Bosse, angeführt. Mutmaßungen nach zu urteilen, gilt seit 2007 Matteo Messina Denaroals oberster Boss der sizilianischen Cosa Nostra.
Die Mafia der Gegenwart
Längst werden auch andere organisierte, kriminelle Vereinigungen mit dem Begriff „Mafia“ belegt. Die eigentliche italienische Mafia ist mittlerweile weltweit aktiv und hat nichts von ihrer kriminellen Energie und dem Machthunger verloren. Neben der Schutzgelderpressung von Unternehmen und Gastronomen, Prostitution, Drogen, Geldwäsche und Markenpiraterie, agiert die Cosa Nostra auch auf politischer Ebene. Um Politiker für die Vertretung ihrer Interessen zu gewinnen, setzt die Mafia nicht nur auf Erpressung, sondern macht bei Bedarf auch ihren Einfluss in der Bevölkerung geltend oder aber kauft gezielt Wahlstimmen. So geschehen beispielsweise 2001, als die italienische Mafia zur Unterstützung der Forza Italia Partei aufrief und die Berlusconi-Partei alle Direktmandate auf Sizilien gewann.
Andere, mafiaähnliche Organisationen mit gleichen kriminellen Machenschaften sind u.a. das Kosher Nostra in den USA, die albanische Mafia, die Pruszkow-Organisation in Polen, die japanische Yakuza, Nasa Stvar in Serbien und die Ringvereine in Deutschland. Woher genau der Begriff „Mafia“ stammt, ist nicht genau geklärt. Im italienischen, arabischen und auch sizilianischen Sprachgebrauch gibt es mehrere Begriffe, von denen das Wort „Mafia“ abgeleitet sein könnte. Einige Forscher vermuten, dass der Name aus dem arabischen und italienischen Sprachraum abgeleitet ist und „Anmaßung“ bedeutet.