Globalisierung im Irak
Der Irak bietet nur kargen Nährboden für wirtschaftliche Kooperationen und Joint Ventures mit anderen Ländern – trotz eines beträchtlichen Vorkommens an Erdöl. Im Vorderen Orient gelegen, ist das einst landschaftlich reizvolle Land mit seinen zahlreichen touristischen Anziehungspunkten auch kein sicherer Ort für kulturelle Vernetzungen auf internationaler Ebene, beispielsweise für den Austausch von Schülern, Studenten oder landeskundlich Interessierten. Die jüngste Vergangenheit des Irak ist geprägt von einer mehr als 30 Jahre andauernden Militärdiktatur – sie endete 2003. Zwischen 1980 – 2003 brachten drei Kriege wirtschaftliches Chaos und humanitäre Not ins Land. Es folgten 8 Jahre in Fremdbestimmung – erst im Winter 2011 verließen die US-amerikanischen Truppen als letzte Besatzer den Irak. So wurden über mehr als drei Dekaden wirtschaftliche, politische und kulturelle Verflechtungen mit anderen Ländern aufgelöst, eingefroren oder auf ein Minimum reduziert.
Signifikante Einschnitte brachten immer wieder neue Einschränkungen des freien Handels durch zahlreiche Wirtschaftssanktionen, beispielsweise das UNO-Handelsembargo zwischen 1991 – 2003. Diese Maßnahmen beschnitten die Möglichkeit des Iraks, ausländische Währungen zu erhalten und konnten die Grundernährung der Bevölkerung nur defizitär absichern. Wirtschaftssanktionen waren zugleich Maßnahmen, die den Irak zunächst in die Isolation führten und damit weiter denn je von Wohlstand durch Globalisierung entfernten. Angesiedelt in 18 Provinzen, werden rund 30 Millionen Iraker seit 2003 als föderaler Staat regiert. Ihre Regierungsform definiert die Republik Irak selbst als islamisch, demokratisch und parlamentarisch. Bisher ist diese Regierungsform beziehungsweise deren personelle Vertretung nicht dazu angetan, auf internationaler Ebene nachhaltiges Vertrauen in die Unbestechlichkeit einzelner Regierungsbeamte und die Sicherheit im Land zu schaffen. Dies wäre indes eine tragfähige Basis, um staatliche und/oder private Investoren sowie potentielle Handelspartner aus anderen Ländern für das Land inmitten von Euphrat und Tigris zu interessieren. Auch ein gesteigertes touristisches Aufkommen aufgrund von zugesicherten, für Leib und Leben ungefährlichen Aufenthaltsbedingungen wäre ein sicherer Indikator dafür, dass Globalisierung im Irak zumindest auf kultureller Ebene erfolgreich angestoßen ist.
Internet – noch kein flächendeckender Zugang ins globale Dorf
Weltweit treibt das Internet als Kommunikations- und Informationsmedium das Zusammenkommen von Menschen und Märkten wie kein anderes Medium zuvor voran. Eine wachsende Frequentierung verzeichnen Social Media. Kommunikationskanäle mit schnellen Antwortzeiten wie Facebook, Twitter und Co. ermöglichen rund um die Uhr Kommunikation in Echtzeit. Auch im Irak – indes aktuell nur für rund drei Prozent der Privathaushalte. Außerdem öffnen Bildungseinrichtungen wie Universitäten und Internet-Cafes zu festgelegten Zeiten in den größeren Städten das virtuelle Fenster zur Welt. Technisch wurde der Irak in Al-Faw nahe Basra 2012 in ein Basisnetz von Unterseekabeln (Backbones) eingebunden, die bereits einige der Golfstaaten mit Internet-Anbindungen versorgen. Eingebunden sind auch Indien und Sizilien, von dort besteht eine Anbindung in die Netze Asiens beziehungsweise Europas.
Zur großflächigen Abdeckung des Landes muss nun die notwendige Infrastruktur zwischen dem Knotenpunkt Al-Faw und den Endnutzern hergestellt werden. Die landesweite Verlegung der Kabel muss mit hoher Achtsamkeit und entsprechend gedrosseltem Tempo erfolgen, da im Boden vergessene Landminen aus den Golfkriegen erwartet werden. Mohammed Tawfiq Allawi, der amtierende Telekommunikationsminister des Landes, gibt die optimistische Schätzung ab, dass trotzdem im Zeitraum von zwei Jahren 50 Prozent aller Haushalte mit einem Internet-Zugang versorgt sein werden. Als Maßnahme zur Beschleunigung der Globalisierung an dieser Stelle soll ein Regierungsprogramm entwickelt werden, welches unter anderem auch den günstigen Erwerb von Hardware sowie einen Provider-Zugang für Privathaushalte gewährleistet.
Internationaler Know-How-Tranfer für die Basis – bisher nur schwache Blitzlichter
Globalisierung setzt voraus, andere Kulturen kennenlernen zu dürfen, um von ihnen zu lernen. Einen praktischen Ansatz zur Verbesserung des Fachkräftemangels im Irak nimmt das Auswärtige Amt in Kooperation mit dem Goethe-Institut und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag: Seit drei Jahren ist das Austauschprogramm „Irak-Horizonte 2015“ aktiv und bietet unter dem Motto „Heute säen, morgen ernten“ eine 6-wöchige Hospitanz für junge Iraker mit erster Berufserfahrung in diversen deutschen Unternehmen. Das Angebot übersteigt in jedem Jahr die Zahl der verfügbaren Plätze. Konstruktiver Synergieeffekt im Sinne der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Irak und der Bundesrepublik Deutschland: Viele auf diesem Wege entstandenen Kontakte werden über die Hospitanzzeit hinaus aufrechterhalten und führten bereits zu dauerhaften Kooperationen. Initiativen wie “ Irak-Horizonte 2015″ setzen zukunftsweisende Zeichen in Richtung Globalisierung. Sie sind derzeit noch rar, werden jedoch auch von anderen, überwiegend westlich orientierten Ländern angeboten.
Export und Import unter unsicheren Rahmenbedingungen
Der Irak verfügt mit geschätzten 143 Milliarden Barrel Rohöl neben Saudi-Arabien und dem Iran über die höchsten Erdölreserven der Region. Nach der Aufhebung der UN-Sanktionen in 2003 hat der Irak wieder internationale Handelsbeziehungen aufgenommen – unter anderem zu den USA und einigen Ländern der Europäischen Union. Die WTO (World Trade Organization – Welthandelsorganisation) hat den Irak bisher nicht als Mitgliedstaat aufgenommen. Das Land hat lediglich Beobachterstatus und ist so auf dieser Ebene nur passiv in den weltweiten Globalisierungsprozess involviert. Der Irak verfügt nicht nur über den Bodenschatz Erdöl, sondern aufgrund seiner fruchtbaren Lage auch über eine Vielzahl von Agrarerzeugnissen – beispielsweise Datteln, Zitrusfrüchte und Reis. Aufgrund teilweise noch zerstörter Infrastruktur und anderen Nachwehen des letzten Krieges exportiert der Irak zurzeit keine Agrarerzeugnisse. Es mangelt an ausländischen Kooperationspartnern – insbesondere an ehemaligen Handelspartnern aus der Region.
Der Irak muss zur Versorgung der Bevölkerung Grundnahrungsmittel importieren, beispielsweise Weizen aus den USA. Anders als der Landweg ist der Luftweg inzwischen ebenso wie der Seeweg über einige Knotenpunkte zuverlässig zugänglich. Obwohl es dem Irak rund 10 Jahre nach dem Sturz des Diktatur-Regimes aufgrund der Erlöse aus dem Erdöl-Export nicht an Kapital mangelt und die Infrastruktur in weiten Teilen als wiederhergestellt gilt, ist das vorbehaltlose Vertrauen der Weltöffentlichkeit in die Eröffnung von Handelsbeziehungen noch nicht wiederhergestellt. Zu häufig noch erreichen Meldungen über terroristische Anschläge und andere vertrauenshemmende Ereignisse die Weltpresse. Auch Meldungen über dauerhaft schwelende Konflikte zwischen den Irakern und den Kurden, verbunden mit der Erwartung einer innenpolitischen Eskalation, wirken sich negativ auf eine rasche Globalisierung des Landes über Wirtschaftsbeziehungen aus.