Globalisierung im Libanon
Die Globalisierung hält über viele Kanäle Einzug in die meisten Länder der Welt. Vor allem das Internet trägt dazu bei, dass sich kulturelle, regionale, aber auch religiöse und andere Gruppen miteinander vernetzen, egal wo sich ihre Mitglieder gerade geografisch befinden. Auf der einen Seite bereichert diese Form der Menschheitsentwicklung das Gedankengut jedes einzelnen Menschen. Auf der anderen Seite ruft es aber auch neue, bisher nicht gekannte Konflikte hervor. Besonders deutlich wird das in Ländern, in denen aus regionalen oder nationalen Besonderheiten unterschwellige Konflikte bestehen. Oft werden solche Konflikte zu Aufständen, Protesten und Revolutionen, weil globale Meinungen und Reflektionen die Menschen im Land viel schneller erreichen als noch vor ein paar Jahrzehnten. Auch im Libanon gibt es solche zwiespältigen Auswirkungen der Globalisierung.
Libanon und die historische Globalisierung im Kleinen
Der Libanon ist ein Staat, der durch sehr viele verschiedene Einflüsse und auch relativ spät als eigenständiger Staat entstanden ist. Die Auswirkungen dieser noch recht jungen Geschichte sind bis heute überall im Land spürbar. In Überlieferungen und Dokumentationen ist vom Libanon das erste Mal zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Rede. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der heutige Libanon Mandatsgebiet von Frankreich und wurde wenig später in die Eigenständigkeit geführt. Doch die geografische Lage in Arabien und die französischen Wurzeln haben ihre Spuren im Land hinterlassen. Das zeigt sich zum Beispiel an den gängigen Sprachen im Libanon. Ein großer Teil der libanesischen Bevölkerung spricht Arabisch. Innerhalb dieser Sprache existieren mehrere Dialekte, die teils syrische und palästinensische Einflüsse haben. Bereits anhand dieser Tatsache ist zu erkennen, dass es im Libanon selbst bereits eine Mischung verschiedener nationaler und kultureller Prägungen gibt. Noch deutlicher wird das, wenn man sich den Anteil französisch sprechender Menschen im Land anschaut. Vor allem in Elitekreisen wird auf die französische Sprache sehr viel Wert gelegt. So sprechen ungefähr 40 Prozent aller Libanesen Französisch.
Doch nicht nur anhand der interessanten und vielfältigen Sprachverteilung und Sprachnutzung, auch anhand der verschiedenen Religionen im Land kann man erkennen, dass der Libanon von sehr diversen, globalen Einflüssen geprägt ist. Der Libanon ist ein paritätischer Staat. Das bedeutet, dass in diesem Land die politische Macht geregelt unter verschiedenen religiösen Gruppen aufgeteilt ist. Das Christentum und der Islam sind im Libanon gleichermaßen vertreten und mit politischer Macht ausgestattet. Auch das ist im Zuge der Globalisierung ein sehr offenes und respektvolles Konzept, das man in kaum einem anderen Land findet. Auf der anderen Seite sieht man im Libanon auch deutlich, welche Konflikte und Probleme eine solche Globalisierung im Kleinen nach sich ziehen kann.
Vielfalt damals und Globalisierung heute
Aus der Vielfalt, die in der Historie des Libanon begründet ist, sind aber auch häufig Konflikte entstanden, die nicht so einfach zu lösen waren. Der Vorteil der Libanesen besteht darin, dass sie mit den Anforderungen, sich mit anders Denkenden auseinander zu setzen, in der gesamten Geschichte des Landes konfrontiert waren. Das ist auch heute im Umgang mit anders Denkenden, anders Gläubigen und Ausländern auch prägend für die Landeskultur. Vergleicht man die Geschichte Libanons mit der Geschichte Deutschlands, so wird deutlich, dass von den Libanesen seit der Eigenständigkeit des Staates ein hohes Maß an Toleranz und respektvollem Miteinander gefordert wird. Die junge Geschichte des Landes zeigt aber auch, dass das nicht immer reibungslos möglich ist. So gab es zwischen 1970 und 1990 den ersten Bürgerkrieg im Libanon, der sich auf Konflikten zwischen religiösen Gruppen aufbaute. Diese Art offener Gefechte im Land hat die politische und kulturelle Weiterentwicklung des Landes stark behindert.
Während die Elite des Landes anhand der interkulturellen Möglichkeiten wächst, leidet das allgemeine Volk unter den Auswirkungen der Bürgerkriege. Auf diese Weise hat die Globalisierung mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen nicht nur im Libanon selbst stattgefunden, sondern auch andere Teile der Welt beeinflusst. Denn aufgrund anhaltender Unruhen und kultureller Verfolgungen und den daraus resultierenden menschlichen Nöten wie Armut entstand die libanesische Diaspora. Von den weltweit circa vier Millionen Libanesen leben nur circa 87 Prozent im Libanon. Die restlichen 500.000 Libanesen leben als religiöse Minderheiten meist als Flüchtlinge in anderen Ländern der Welt. Auf diese Weise prägen libanesische Gruppen auch die moderne Globalisierung überall auf der Welt.
Für und Wider der Globalisierung
Anhand der Geschichte des Libanons kann man erkennen, dass die Globalisierung keinesfalls nur als Chance und positive, weltweite Entwicklung verstanden werden sollte, sondern dass auch Gefahren und historische Erfahrungswerte betrachtet werden sollten. Der Libanon ist eines der wenigen Länder, die die Grundsätze der Globalisierung wie die kulturelle und religiöse Verflechtung der Welt bereits in ihrer Staatsgeschichte wiederfinden. Da der Libanon in diesen Dingen mit ein paar anderen Ländern die Vorreiterposition eingenommen hat, erlebte der Libanon in seiner Geschichte, aber auch heute, die negativen Auswirkungen einer solchen interkulturellen Verschmelzung in voller Härte. Bürgerkriege, politische Instabilität und zu guter Letzt auch eine stagnierende Entwicklung in der Wirtschaft, Technik und Forschung sind die Folge.
Bis sich der Libanon zu einem politisch stabilen Staat entwickelt hat, der selbstbewusst in die Welt hinaus schauen kann, wird noch einige Zeit vergehen. Aus diesem Grund sind die Libanesen selbst an modernen Bewegungen der Globalisierung auch unzureichend beteiligt. Vor allem über moderne Medien werden Globalisierungsprozesse in den letzten Jahren angestoßen und realisiert. Da die Erreichbarkeit neuer Medien für die libanesische Bevölkerung nicht durchgehend gegeben ist, wird sie auch in ihrer freien Entfaltung in einer globalisierten Welt behindert. Auf der anderen Seite bekommen Initiatoren innenpolitischer Unruhen neue Möglichkeiten, sich zu profilieren und zu organisieren.
Der Libanon kann als wichtiges Beispiel für das Für und Wider einer globalisierten Welt gelten. Die Globalisierung bietet zum einen wichtige Vorteile und Chancen, die allen Menschen offen stehen sollten. Auf der anderen Seite werden im Zuge eines beschleunigten Alltags und neuen Medien, die nicht allen Menschen weltweit gleichermaßen zur Verfügung stehen, auch Menschen zurück gelassen. Diese Menschen können an den globalen Entwicklungen nicht teilnehmen und sind in der Konsequenz die Verlierer der Globalisierung. Ein Ziel der Globalisierung sollte es also sein, möglichst allen Menschen, auch in politisch instabilen Staaten, den Zugang zu globalen Prozessen zum Beispiel über neue Medien zu ermöglichen. Auf diese Weise kann sich auch der Libanon in Zukunft zu einem stabilen Staat entwickeln.