Globalisierung in der Slowakei
Nach dem Zerfall des Ostblocks Anfang der neunziger Jahre fanden in vielen ehemalige Ostblockstaaten tief greifende positive Umstrukturierungen statt, die die Länder wirtschaftlich, politisch und auch gesellschaftlich stark veränderten. Gerade die Slowakei ist hier ein sehr deutliches Beispiel dafür. Das zu Zeiten des Kalten Krieges gewaltsam zusammengehaltene Staatengebilde aus Tschechen und Slowaken zerfiel nach kurzer Zeit wieder in die historisch gewachsenen Einzelstaaten Tschechien und Slowakei. Auch wenn es nur eine „Samtene Revolution“ war, war dennoch spürbar, wie das bis dorthin unterdrückte nationale Selbstbewusstsein der beiden sehr unterschiedlichen Länder nun endlich Raum gewann, und sich die kulturelle und gesellschaftliche Identität auf völlig unterschiedliche Weise wieder entfaltete. Hier hatte die Globalisierung nicht nur Freiheit vom kommunistischen Block bewirkt, sondern auch eine tief greifende Freiheit der nationalen und kulturellen Entwicklung. Mit dem EU-Beitritt beider Länder, Tschechiens und der Slowakei, wurde auch ein wesentlicher Motor für die wirtschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt, der geholfen hat, bislang zahlreiche Reformen umzusetzen und ein demokratisches, von der Freiheit des einzelnen getragenes Staatengebilde zu schaffen. Gerade in der Slowakei sind die zahlreichen Veränderungen seit der kommunistischen Ära in bereits so kurzer Zeit durchaus beachtlich.
Die Entwicklung der Slowakei seit der Unabhängigkeit
Einer der wichtigsten Faktoren für die kulturelle Identität der Slowakei war die Wiedereinführung der slowakischen Sprache als Amtssprache. Das Slowakische weist in vielen Bereichen doch wesentliche Unterschiede zum Tschechischen auf, diese Unterschiede wurden jedoch während der gesamten kommunistischen Zeit unterdrückt. Mit der Möglichkeit, die eigene Sprache wieder zu fördern, entstand auch schnell wieder das Bewusstsein der eigenen kulturellen Identität, das lediglich über Jahrzehnte hinweg unterdrückt war, aber nie verloren ging. Mit den Wirtschaftshilfen der Europäischen Gemeinschaft konnte vor allem die Verkehrsinfastruktur stark verbessert werden, um abgelegene Gebiete besser zu erschließen, auch das Eisenbahnnetz und der Bahnverkehr wurden modernisiert. Die Slowakei hat eines der dichtesten Schienennetze der Welt, und diesem Verkehrsweg kommt auch heute im Land noch eine wichtige Bedeutung zu. Das Lohnniveau liegt heute noch deutlich unter dem EU-Durchschnitt, die Wirtschaft wächst allerdings konstant mit einer der höchsten Wachstumsraten innerhalb der EU, und die Arbeitslosenzahlen im Land sind stabil.
Ein besonderer Gewinn besteht für die Slowakei – ebenso wie bei vielen anderen neuen EU-Ländern, darin, dass viele Slowaken ihren Lebensstandard durch Arbeiten im europäischen Ausland deutlich aufbessern können. Damit entsteht, da dieses Geld am Ende wieder in die Slowakei fließt, auch ein ganz wesentlicher Beitrag zur weiteren Stärkung der slowakischen Wirtschaft. Da die slowakische Sprache so etwas wie das Esperanto der slawischen Sprachen ist, haben die meisten Slowaken bei der Arbeit im Ausland den Vorteil, mit fast allen Slawen ohne Probleme kommunizieren zu können, und sich damit auch leicht in polnische, tschechische, ukrainische oder bosnische und serbische Arbeitsgruppen einfügen zu können. In den meisten Fällen besteht gerade deshalb für Slowaken kaum ein Mangel an Arbeit im EU-Ausland. Die relative enge kulturelle und geschichtliche Verbindung zu Österreich wurde praktisch sofort nach der Öffnung der Grenzen wiederbelebt, und führte in der Folge auch zu einem schnell wachsenden Tourismus vor allem in den grenznahen Regionen. A
uch Investitionen aus allen EU-Ländern begannen nach der Öffnung relativ rasch zu fließen – die Slowakei wurde, trotz ihrer Zugehörigkeit zum Ostblock immer als ein Teil Mitteleuropas wahrgenommen, und damit auch sofort nach der Öffnung der Grenzen wieder in Europa aufgenommen. Die in den Anfangsjahren noch stark an ehemalige Blockstaaten und Russland angelehnte Außenpolitik unter der Regierung Meciar, die zu einer politischen Isolation des Landes zu führen drohte, wurde bereits nach wenigen Jahren aufgegeben. Die Slowakei hat sich aber bis heute außenpolitisch ein gutes Verhältnis zu vielen Nicht-EU-Staaten erhalten und erfüllt damit auch eine wichtige Funktion vor allem in ihrer Mittlerrolle innerhalb Europas zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten.
Modernisierung der Industrie und Förderung des Umweltschutzes
Gerade während der Zeit der kommunistischen Regierung wurde zumeist mit hoffnungslos veralteter Technik gearbeitet und produziert, auf den Umweltschutz wurde in vielen ehemaligen Blockstaaten so gut wie überhaupt nicht geachtet. Im Bereich planwirtschaftlicher Systeme spielt die Produktionseffizienz nur eine sehr untergeordnete Rolle, für eine erfolgreiche Teilnahme an globalen Märkten und bei der Einführung eines marktwirtschaftlichen Systems ist effizientes und ressourcenschonendes Produzieren aber eine unverzichtbare Grundvoraussetzung, um wettbewerbsfähig zu sein. Der hohe Aufholbedarf in praktisch allen Industrien stellte für die Slowakei eine große Herausforderung dar, die aber in sehr weiten Teilen durch ausländische Investitionen und EU-Förderungen bewältigt werden konnte, und damit dafür sorgt, dass das Land zukünftig wettbewerbsfähig und in einer globalen Wirtschaft auch überlebensfähig ist.
Die stark exportorientierte Wirtschaft der Slowakei ist auf dem Weg einer der wichtigsten Lieferanten für die EU zu werden, und davon auch selbst wirtschaftlich zu profitieren. Auch im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes kommt es zu laufenden Verbesserungen, wenn auch viele Maßnahmen auf Jahrzehnte hinaus angelegt sind. Besonders die beiden slowakischen Kernkraftwerke, die nahe der österreichischen Grenze stehen und teilweise stark veraltete Technologie und gravierende Sicherheitsmängel aufweisen, sind bislang noch ein Bereich, der mit Sorge betrachtet wird. Mit dem anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung und der zunehmenden wirtschaftlichen Erstarkung des Landes wird aber auch in der Slowakei in einigen Jahren die Energiewende auf dem Programm stehen und damit für eine ökologisch verträgliche und für die Bevölkerung sichere Energiegewinnung sorgen.
Gesellschaftliche Veränderungen in der Slowakei durch die Globalisierung
Für den einzelnen spielt vor allem die nun freie Verfügbarkeit von Gütern aus dem europäischen Raum die wichtigste Rolle. Vieles, was zu Zeiten des Kommunismus nicht zu bekommen war, ist nun erhältlich, und seit der Einführung des Euro für durchwegs die meisten auch leistbar. Damit geht eine wichtige Erhöhung des Lebensstandards einher, die gestiegene Kaufkraft der eigenen Arbeitsleistung macht auch eine gewisse Freiheit des Konsums möglich. Daneben findet aber auch umgekehrt die minimalistische, vor allem auf Sparsamkeit und wenige verfügbare Waren während der kommunistischen Zeit ausgerichtete Lebensweise in den reicheren Ländern in weiten Kreisen Beachtung. Die primär durch Mangel verursachte Kultur und Lebensweise in der Slowakei in den letzten Jahrzehnten wird von vielen im reicheren Ausland als „traditionell, einfach und bodenständig“ wahrgenommen und im Zuge des höheren Ressourcenbewusstseins der heutigen Tage von vielen oft kopiert und nachgeahmt. Daneben ist auch ein Zugang zum tatsächlich traditionellen slowakischen Kulturgut geöffnet, das großteils noch aus den Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie stammt. Gerade im Bereich der Küche, aber auch in vielen anderen Bereichen des Lebens, wird hier vieles als wertvolles und schützenswertes Kulturgut betrachtet, und dementsprechend hoch geschätzt. Es kommt also nicht nur zu einer Übertragung der modernen europäischen Kultur auf die Slowakei, sondern in weiten Bereichen auch zu einem Transfer traditioneller slowakischer Kultur in die europäische Lebensweise. Dieser Prozess bringt also für beide Seiten Vorteile.
Die Beilegung historisch gewachsener Konflikte
Gerade zwischen Österreich und Deutschland und den tschechischen und slowakischen Staaten gab es wegen des Zweiten Weltkriegs und der zahlreichen brutalen Vertreibungen von Sudetendeutschen und Deutschstämmigen jahrzehntelange schwere politische Missstimmungen. Erst mit der im Zuge der Globalisierung erfolgten Öffnung der Staaten und eines gegenseitigen politischen und kulturellen Austausches konnten die Differenzen tatsächlich endgültig beigelegt werden, für den Umgang mit den zahlreichen Enteignungen Deutscher und deutschstämmiger konnten tragfähige Kompromisslösungen gefunden werden. Auch hier sind also Frieden und Völkerverständigung durch den Prozess der Globalisierung gewachsen. Und das ist nur eine der zahlreichen positiven Veränderungen, die die Globalisierung und der EU-Beitritt für Staaten wie die Slowakei mit sich gebracht haben.