Globalisierung in Griechenland
Was hat Griechenland nicht alles zu bieten: Griechenland gilt als Wiege der Demokratie, ist Mutterland von Olympia und Marathonlauf, die Weisheiten und Erkenntnisse antiker Philosophen und Naturwissenschaftler beeindrucken noch heute. Antike Bauwerke sind touristische Magnete. Seine unterschiedlichen Landschaften und das mediterrane Klima sind Garanten für erholsame Urlaubstage. Dennoch wird mit Griechenland derzeit eher Staatsverschuldung, Angst um den Euro und die apokalyptische Vorstellung eines Staatsbankrotts assoziiert. Interessant ist die Frage, inwieweit die Globalisierung ursächlich für die griechische Finanzmisere ist und inwieweit ein Staatsbankrott Griechenlands die Weltwirtschaft beeinflussen würde.
Was heißt Globalisierung
Unter dem Begriff Globalisierung versteht man die Intensivierung von Beziehungen bis hin zu weltweiten Verflechtung. Sicher, die Lösung von Umweltproblemen und die Sicherheitspolitik bedürfen internationaler Zusammenarbeit, um effektiv zu sein. Schnelle Transportwege und vor allem die Kommunikation via Internet machen es möglich, Waren über weite Strecken rentabel und zeitnah zu bewegen und nahezu zeitgleich den Kenntnisstand an jedem Ort der Welt zu haben. Diese Vorteile nutzend entstanden internationale Wirtschafts- und Finanzverflechtungen, die einem Gordischen Knoten gleichen.
Die Globalisierung lässt die Weltwirtschaft wachsen. So entsteht zwischen den einzelnen Nationalstaaten ein Konkurrenzkampf in Form eines Standortwettbewerbs. Dieser kann ebenso wie die Suche nach neuen Absatzmärkten für die heimische Produktion zu Spannungen zwischen Staaten führen. Dem wurde und wird mit Zusammenschlüssen einzelner Staaten zu regionalen Wirtschaftsräumen entgegengesteuert. Dadurch entstehen wiederum enge Verflechtungen innerhalb dieser Wirtschaftsräume. Wurde zum Beispiel die EWG ursprünglich als Freihandelszone konzipiert, die günstige Rahmenbedingungen für die Aus- und Einfuhr von Waren und Dienstleistungen ihrer Mitgliedsstaaten schaffen sollte, so ist die aus der EWG entstandene EU mit der Eurozone heute eine der drei größten Wirtschaftsmächte dieser Welt. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssen also bei ihren Entscheidungen nicht nur nationale Interessen, sondern auch EU-Vorgaben und die Entwicklung der weltweit agierenden Märkte berücksichtigen.
Innerstaatliche Ursachen der Griechenlandkrise
Sicher, die desaströse Finanzlage Griechenlands ist ursächlich hausgemacht: Schon Jahre lang sind die Einnahmen des griechischen Staates geringer als die Ausgaben. Seit der Euroeinführung 2002 ließen zum Beispiel Lohnerhöhungen im öffentlichen Bereich von bis zu 15 Prozent und steigender Konsum die Staatsverschuldung ständig steigen. Auf der anderen Seite sanken die öffentlichen Ausgaben für Investitionen stetig und auch der Ausbau einer besseren Infrastruktur blieb unerledigt. Beides aber wäre notwendig, um für Griechenland eine Basis zu schaffen, mehr Einnahmen zu erzielen und seine Schulden aus eigener Kraft zurückzahlen zu können. Arbeitsplätze im Staatsdienst oder öffentlichen Sektor waren in der Vergangenheit gut bezahlt. Deshalb war es schon Tradition, dass die Regierungsmitglieder ihren Parteigenossen Arbeitsplätze beschafften, die vom Staat bezahlt werden. Dadurch wurde der Staatsapparat aufgebläht, inkompetent und teuer. Nachlässigkeit im Verwaltungsapparat der Rentenkasse führte dazu, dass zig Tausend sogenannten Phantomrentner monatliche Leistungen erhielten, ohne dass ein Anspruch bestand. Durch Steuersenkungen hatte Griechenland vor der Krise den geringsten effektiven Steuersatz auf Einkommen aus Gewinnen und Vermögen. Durch Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit verliert Griechenland jährlich zwischen 12 bis 30 Milliarden Euro. Fehlende Kontrollen der Finanzbehörden sorgen dafür, dass viele Griechen Steuerhinterziehung als Volkssport ansehen.
Last but not least liegen die Militärausgaben Griechenlands weit höher als im europäischen Vergleich. Profiteure der großvolumigen Anschaffung von Rüstungsgütern sind neben den USA vor allem Deutschland, und Frankreich, deren Staatseinnahmen damit durch die Staatsverschuldung Griechenlands wachsen.
Europäische Ursachen der Griechenlandkrise
Zwar hat die EU mit dem Maastrichter Vertrag Konvergenzkriterien für ihre Mitglieder oder Staaten, die der Union beitreten wollen, vorgegeben. Doch es fehlen automatische Sanktionsmechanismen. Nachdem die wirtschaftlichen stärksten Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich mögliche Sanktionen gegen sich allein mit der Zusicherung, eine baldigen Haushaltskonsolidierung anzustreben, abwenden konnten, mussten und müssen diese Kriterien auch für anderen Mitgliedsstaaten gelten, das heißt, die Maastrichter Konvergenzkriterien können ungestraft überschritten werden.
Außerdem fiel den Statistikern der Eurozone erst 2004 auf, dass die von Griechenland vorgelegten Haushaltszahlen Ungereimtheiten aufwiesen. Sicherlich half den Griechen die Globalisierung des Bankenwesens, denn wie die New York Times am 13. Februar 2010 veröffentlichte, haben US-Banken jahrelang geholfen, die Höhe der Staatsverschuldung zu schönen, indem neue Kredite als Währungsgeschäfte ausgewiesen und dafür zu erwartende zukünftige Staatseinnahmen, wie etwa aus Lotteriegewinnen, abgetreten wurden. Als griechische Regierung erstmals offiziell geschönte Zahlen einräumen musste, reagierten die EU-Behörden nicht etwa mit Sanktionen, sondern vertraten die Ansicht, dass die derzeitige Regierung nicht für Versäumnisse der Vorgängerregierung bestraft werden dürfe. Außerdem vertraute man auch hier der bloßen Zusage, dass Griechenland im Rahmen des Defizitstrafverfahrens die Staatsverschuldung bereits 2009 auf 3,7 % des Bruttoinlandprodukts zurückführen würde. Dies schaffte Griechenland nicht und so forderten die Teilnehmer des EU-Sondergipfels im Februar 2010 den griechischen Ministerpräsidenten auf, mit einer drastischen Sparpolitik den drohenden Staatsbankrott zu vermeiden.
Die Hoffnung, dass die Auflage, Griechenland müsse alle zwei bis drei Monate Bericht über Einsparerfolge in Brüssel vorlegen und dass eine reine verbale Solidaritätsbekundungen der EU-Mitgliedsstaaten die globalen Finanzmärkte beruhigen würden, erfüllte sich nicht. Die verlangten Risikoaufschläge für neue Kredite an Griechenland wurden so hoch, dass Griechenland im April 2010 offiziell finanzielle Hilfe der EU beantragte. Die Freigabe von Mitteln wurde an die Umsetzung der von der Troika, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond, geforderten Maßnahmen zur Senkung der Staatsausgaben geknüpft. Diese Auflagen fordern massiven Arbeitsplatzabbau, drastische Lohn- und Rentenkürzungen, Steuererhöhungen und die Privatisierung von Staatseigentum. Erreicht wird dadurch größere Armut in der Bevölkerung und damit steigende Staatsausgaben für Sozialleistungen bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen. Investitionsprogramme fehlen ganz. Während zum Beispiel Deutschland der drohenden Rezession mit staatlichen Investitionsprogrammen entgegenwirkte, zieht die Troika derartige Maßnahmen zur Sanierung der griechischen Staatsfinanzen nicht in Betracht.
Globalisierung als Ursache der Griechenlandkrise
Als Mitglied der EU erhielt Griechenland zunächst trotz seiner immensen Staatsverschuldung von den internationalen Finanzmärkten Kredite zu gleichen Bedingungen, wie Mitglieder mit wesentlich niedrigerer Verschuldung. Die Finanzmärkte vertrauten auf eine Schuldenübernahme durch andere Staaten, auch entgegen vertraglicher Vorgaben. Als mit der Finanzkrise ab 2007 noch weitere Staaten in eine finanzielle Schieflage gerieten, verloren die Finanzmärkte ihr Vertrauen und erhöhten die Risikoprämien auf staatliche Schuldpapiere. Die 2007 von den USA ausgehende internationale Finanz- und Bankenkrise setzte auch Griechenland in Zugzwang, seine Banken vor einem möglichen Zusammenbruch zu retten. Dafür übernahm der Staat die Kreditrisiken der Banken. Dies hatte zur Folge, dass sich die Finanzmärkte das erhöhte Ausfallrisiko mit höheren Risikoprämien bezahlen ließen, wenn Griechenland sein Einnahmedefizit mit Krediten ausgleichen wollte.
Griechenland befindet sich in einem Teufelskreis: Ständige Haushaltsdefizite erhöhen die Staatsverschuldung. Diese führen zu immer schlechteren Konditionen bei der Geldbeschaffung. Steigende Zins- und Tilgungslasten erhöhen die Staatsverschuldung. Die durch die Troika verlangten Sparmaßnahmen schwächen die Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft. Diese beiden Tatsachen veranlassten die Rating-Agenturen Griechenland auf Ramschniveau herabzusetzen. Das wiederum senkt die Kreditwürdigkeit. Die Globalisierung und damit die Einflussnahme von außen lässt viele Experten glauben, dass Griechenland nur wieder genesen kann, wenn es den Staatsbankrott erklärt und seine Schulden nicht zurückzahlt.
Mögliche Auswirkungen eines griechischen Staatsbankrotts
Zwischenzeitlich werden verschiedenste Szenarien gedanklich durchgespielt, für den Fall, dass Griechenland innerhalb des Bündnisses nicht wieder wettbewerbsfähig wird. Die Unterstützung durch Rettungsschirme belastet die Staatsaushalte der Geberländer. Schuldenschnitte könnten Gläubigerbanken und Versicherungsunternehmen weltweit in die Insolvenz treiben. Bei einem Bündnisaustritt ist mit einer Sogwirkung auf Italien oder Portugal zu erwarten. Wenn Griechenland den Staatsbankrott erklärt, bedeutet das für die übrigen Mitgliedsländer, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfond noch nicht überschaubare Verluste, weil sie die Griechenland gewährte Kredite abschreiben müssten. Durch die nicht mehr zu entwirrenden Verflechtungen innerhalb des Weltwirtschafts- und Weltfinanzmarktes könnte ein Staatsbankrott des kleinen Rädchens Griechenland die Welt aus den Angeln heben.