Globalisierung in Katar
Katar ist ein kleines Emirat am Persischen Golf, das in den vergangenen Jahren zunehmend in den Blickpunkt der westlichen Welt gerückt ist. Dank seiner immensen Rohstoffvorkommen ist Katar eines der reichsten Länder der Welt. Rohstoffe und Reichtum nutzt das Emirat als Eintrittskarte für einen der vorderen Plätze in einer globalisierten Welt.
Katar im Wandel
Katar ist eine Halbinsel, zu der mehrere Inseln gehören. Direktes Nachbarland ist Saudi-Arabien. Im Wüstenstaat ist es das ganze Jahr über heiß und trocken, die leicht hügelige Landschaft ist kahl und unwirtlich. Bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts war Katar ein armes Land, dessen Bevölkerung von der Fischerei und der Perlentaucherei lebte. Mit der Entdeckung der Ölquellen hat sich das vor einigen Jahrzehnten gründlich geändert. Bereits 1939 wurden in Katar erste Ölquellen entdeckt, aber erst 1971 – nach dem die ehemalige britische Kolonie ihre Unabhängigkeit erlangte – wurden die Rohstoffvorkommen systematisch weiter erforscht und ausgebaut. Neben großen Ölquellen verfügt das Land über riesige Gasvorkommen. Katar ist eine Monarchie, die von einem Emir regiert wird. Im Jahr 2003 wurde mit großer Mehrheit der Bevölkerung die erste eigene Verfassung verabschiedet.
Veränderung des Landes
Die Unabhängigkeit und der neu gewonnene Reichtum haben das Land nachhaltig verändert. Mit Beginn der 1970er Jahre wurde das Emirat zu einem Einwanderungsland, die Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren von ehemals 200.000 auf eineinhalb Millionen angestiegen. Nur 20 % der Bevölkerung sind Katari, der Rest sind Einwanderer, die aus allen Nachbarländern als Gastarbeiter ins Land strömen – die meisten davon aus Indien, viele aber auch aus Pakistan, Malaysia, dem Iran und anderen arabischen Staaten. Die meisten Menschen leben und arbeiten in den Städten, gut ein Drittel davon in Doha, der Hauptstadt des Landes. Staatsreligion ist der sunitische Islam, aufgrund des hohen Ausländeranteils in der Bevölkerung leben hier aber auch sehr viele Hindus und Schiiten, daneben auch einige Christen. Die Katari haben das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Jeder katarische Staatsbürger ist anteilig am Ölgeschäft des Landes beteiligt und verfügt dadurch über ein festes Einkommen. Für das Arbeiten, insbesondere für die schwere körperliche Arbeit bei der Ölförderung, sind Gastarbeiter zuständig.
Katar in der Welt
Katar ist ein Land voller Widersprüche, das fest in der arabischen Welt verwurzelt ist und gleichzeitig große Anstrengung darauf verwendet, Fuß in der westlichen Welt zu fassen. Durch seinen Reichtum ist es in der Lage, die Entwicklung des Landes und seine Position im Kanon der Weltmächte aktiv voranzutreiben. Anders als viele andere arabische Länder steht das Emirat nicht am Rande westlicher Globalisierung, sondern ist selbst Mitgestalter – eine Art graue Eminenz, die im Hintergrund wirkt. Die Verantwortlichen sind darum bemüht, sowohl ihre Beziehungen zur arabischen Welt wie auch zum Westen zu pflegen. So ist der Einfluss des Landes in der arabischen Welt in den vergangenen Jahren ständig gestiegen, gleichzeitig wird auch die Öffnung gegenüber dem Westen energisch vorangetrieben.
Rolle im Nah-Ost-Konflikt
Vielfach unbekannt ist, dass Katar im Hintergrund des Nah-Ost-Konflikts eine durchaus gewichtige Rolle spielt. Mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt das Land die Bewohner des Gaza-Streifens und ist – noch vor den USA und der Europäischen Gemeinschaft – Hauptgeldgeber. Investiert wird dabei vor allem in die Verkehrsinfrastruktur und in Wohnraum. Auch in der westlichen Welt tritt Katar vor allem als Geldgeber und Investor in Erscheinung. Die Quatar Sports Investment GmbH ist ein hochkarätiger Finanzgeber im europäischen Fußball. Besonders stark ist der Einfluss in Frankreich, vielleicht auch deshalb weil dort viele Menschen mit nordafrikanisch-muslimischem Migrationshintergrund leben, die aus den ehemaligen französischen Kolonien nach Frankreich gekommen sind. Über 40 Millionen Euro hat im Jahr 2012 der katarische Kronprinz in den französischen Traditionsfußballclub Paris St. Germain investiert und dadurch mit 70% eine Mehrheitsbeteiligung erworben. Dank der Millionen konnte der Verein eine hochklassige Mannschaft zusammenkaufen, die im Jahr 2013 auch in der Champions League ein Wörtchen mitreden soll. Auch der Sponsor des Vereins könnte künftig aus der Wüste kommen. Ein millionenschwerer 4-Jahres-Vertrag mit der katarischen Tourismus-Behörde war Ende 2012 bereits in Vorbereitung.
Für Schlagzeilen im Jahr 2012 sorgte auch das geplante Engagement in den Pariser Vorstädten, den Banlieue, die als Problemviertel gelten und von der gesellschaftlichen Entwicklung weitgehend abgekoppelt sind. Nach Anfrage wurde der arabisch stämmige Vorsitzende der Banlieue-Gemeinschaft nach Katar eingeladen und kehrte mit einer 50 Millionen Euro-Zusage zurück. Das Geld soll in einen Fonds fließen, der „junge Unternehmer in den französischen Problemzonen“ fördern und unterstützen soll. Die Vereinbarung wird in Frankreich kontrovers diskutiert. Nicht wenige befürchten, dass die finanzielle Unterstützung aus Katar bestehende Gräben eher vertiefen als zuschütten wird.
Die Welt zu Gast in Katar
Bildung, Wirtschaft und Sport sind zentrale Herausforderungen der Globalisierung. Wer hier zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Stellen die Weichen stellt, hat gute Chancen, seinen Einfluss und seine Position zu stärken. Politiker, Manager und Sportler aus aller Welt sind in Katar dementsprechend gern gesehene Gäste. Das Land verfügt über ausreichend Platz und über ausreichend finanzielle Ressourcen, um Großveranstaltungen auszurichten. Immer mehr weltweit bedeutende und einflussreiche Organisationen halten ihre Jahres-Kongresse und Tagungen in der katarischen Wüste ab. Bereits im Jahr 2001 tagte hier der Gipfel der Welthandelsorganisation WTO und seitdem geben sich Gipfelteilnehmer aus aller Welt die Türklinke in die Hand: Im Jahr 2009 rief der Emir von Katar den „Weltgipfel für Innovation im Bildungswesen“ ins Leben, im Jahr 2011 trafen in Doha zum dann bereits zweiten Gipfel über 1.200 Bildungsexperten aus über 100 Ländern zusammen. Im November 2012 fand in der Landeshauptstadt unter großer Beachtung der Öffentlichkeit der Weltklimagipfel statt, was eine besondere Note auch dadurch gewinnt, dass der Ölproduzent als einer der größten Klimasünder gilt: Der pro Kopf berechnete CO2-Ausstoß des Landes ist drei Mal so hoch wie der in der Bundesrepublik Deutschland.
Ausrichtung des Fußball-WM 2022
Ein besonderer Coup gelang dem Land im Jahr 2010, als es von der FIFA den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 bekam. Die Entscheidung ist in der Fußballfachwelt äußerst umstritten und hat – auch wegen des eher undurchsichtigen Zustandekommens der Entscheidung – für heftige Diskussionen gesorgt. Katar ist alles andere als ein klassisches Fußball-Land und auch die geographischen und klimatischen Bedingungen sind nicht unbedingt zum Fußball spielen geeignet. Durch die Nähe zum Persischen Golf ist es in Katar das ganze Jahr über nicht nur heiß, sondern auch schwül. Das gilt in verstärktem Maß für die Sommermonate, in denen traditionell die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird. Auch die Handballweltmeisterschaft wird im Jahr 2015 nicht in Frankreich, Polen, Dänemark oder Norwegen stattfinden, sondern in Katar. Die Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2016 war dagegen bereits im Vorfeld gescheitert.
Bereits mit Beginn des neuen Jahrtausends hat Katar begonnen, den Fußballtourismus im Land anzukurbeln. Der ehemalige deutsche Fußballnationalspieler Mario Basler war einer der ersten westlichen Fußballer, der in den Wüstenstaat wechselte und zwei Spielzeiten das Trikot des mehrfachen katarischen Meister Al-Rayyan SC trug. Renommierte deutsche Fußballvereine wie der FC Bayern München oder Eintracht Frankfurt beziehen gerne ihre Wintertrainingslager in Doha.
Globale Perspektiven
Die Entwicklung, die Katar in den vergangenen Jahren genommen hat, verdeutlicht das Ungleichgewicht der Globalisierung. Mit ausreichend Kapital ist in einer globalen Welt fast alles möglich. Das Land Katar hat sich fast wie auf dem Reißbrett in den vergangenen Jahren neu erfunden. Für Besucher des Landes ist dies auch äußerlich nicht zu übersehen. Überall entstehen riesige Hotelkomplexe. Eine kuriose Mischung aus folkloristischer und gleichzeitig futuristischer Architektur prägt dabei das Erscheinungsbild. Sogar der klimabedingte Mangel an Natur wird durch künstliches Raffinement ausgeglichen. An den Hotelpools kommt das Vogelgezwitscher vom Band. Die Globalisierung schreibt eben andere Geschichten als die aus tausend einer Nacht.