Globalisierung in Kuba
Im 2012 veröffentlichten KOF Globalisierungsindex des Schweizer Forschungsinstituts für Konjunkturfragen der ETH Zürich nimmt Kuba im Jahr 2009 unter Berücksichtigung aller Aspekte der Globalisierung Rang 122 (von 208) ein. Neben der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung bewertet der Index auch die soziale und die politische Verflechtung. (Im Einzelnen lag Kuba bei der politischen Globalisierung auf Rang 109, bei der sozialen Globalisierung auf Rang 128 und bei der wirtschaftlichen Globalisierung auf Rang 160, jeweils von 208 Ländern.) Kubas Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur werden maßgeblich durch seine bürokratisch-autoritäre Regierung marxistisch-leninistischer Prägung bestimmt. Als einziges Land in der westlichen Hemisphäre hält Kuba auch nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks Anfang der 1990er Jahre an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundsätzen des Sozialismus fest. Neben einer restriktiven Handelspolitik hat auch das seit 1962 bestehende Embargo der USA gegen Kuba einen wesentlichen Anteil daran, dass Kuba nur eingeschränkt am internationalen Handel teilnimmt. Erste Schritte in Richtung Globalisierung musste Kuba nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er-Jahren unternehmen.
Wirtschaftliche Verflechtungen
Kuba ist zwar Mitglied der Welthandelsorganisation – und hat sich damit grundsätzlich verpflichtet, seine nationalen Gesetze seinen Verpflichtungen aus den Welthandelsverträgen anzupassen – nicht aber des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank oder der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Seit Anfang der 1990er-Jahre mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Kubas Hauptabsatzmarkt entfiel, kooperiert das Land wirtschaftlich vor allem mit anderen sozialistischen Staaten, insbesondere mit Venezuela, Brasilien und Vietnam. Wirtschaftliche Beziehungen in Lateinamerika pflegt Kuba durch seine Mitgliedschaft in der „Alianza Bolivariana para las Americas“ (ALBA) und in der seit Dezember 2011 bestehenden CELAC (Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten), deren Vorsitz es 2013 übernimmt.
Das stark importabhängige Kuba begleicht Teile seiner Rechnungen, indem es im Gegenzug für gelieferte Rohstoffe oder Güter Dienstleistungen, insbesondere durch Ärzte, Lehrer und andere Experten, zu stark erhöhtem Gegenwert zur Verfügung stellt. Um Devisen ins Land zu holen, hat Kuba seine Wirtschaft mit Einschränkungen für ausländische Firmen geöffnet: Im Rahmen von Joint Ventures mit kubanischen Staatsbetrieben, die eine Mehrheit von mindestens 51 Prozent halten müssen, können internationale Unternehmen in Kuba tätig werden. Einzig Venezuela darf aufgrund eines gesonderten Wirtschaftsabkommens 100% an einem Unternehmen in Kuba halten. Doch mangelnde Rechtssicherheit für ausländische Unternehmer – Verhaftungen aufgrund von Korruptionsvorwürfen waren mehrmals vorgekommen – hat deren Zahl wieder sinken lassen. Waren Ende 2009 insgesamt 258 Joint Ventures auf der Insel tätig, zählte man 2012 nur noch 240.
Entscheidungsmonopol der Staatsregierung
Alle wichtigen Aspekte der kubanischen Wirtschaft unterliegen der alleinigen Entscheidungsgewalt des Staates: Dazu gehört die Vergabe von Aufträgen an ausländische Firmen ebenso wie die heimische Produktion, Im- und Export, Binnenhandel und Dienstleistungen. Die Preise für die Waren werden nicht durch den Markt bestimmt, sondern durch die Regierung festgelegt. Die verfügbaren Waren sind für die Bevölkerung rationiert. Auch dem Finanzsektor, einem der wesentlichen Antriebsfaktoren der Globalisierung, sind Grenzen gesetzt: Kapitalinvestitionen sind beschränkt und müssen von der Regierung genehmigt werden.
Als der Inselstaat durch den Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der 1990er-Jahre in eine tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und politische Krise geriet – das Bruttoinlandsprodukt sank um 35 Prozent, 85 Prozent der Handels- und Finanzbeziehungen Kubas gingen verloren – beschloss die Regierung, den internationalen Tourismus auszubauen und das Land stärker für ausländische Investitionen zu öffnen.
Tourismus
Die Bedeutung des neuen Devisenbringers Tourismus überflügelte den zurückgegangenen Zuckerexport schon Mitte der 1990er-Jahre. Von 1991 an wuchs die Zahl der Touristen kontinuierlich, bis sie 2011 bei über 2,7 Millionen Besuchern lag. Für 2012 wurden die Bruttoeinnahmen Kubas aus dem Tourismussektor auf etwa 2,9 Milliarden Dollar geschätzt – Tendenz weiter steigend. Doch die Öffnung Kubas für den Tourismus ist nur ein einseitiger Schritt in Richtung Globalisierung. Neue Gesetze sorgten für eine strikte Trennung zwischen Touristen und einheimischer Bevölkerung. Das inzwischen wieder aufgehobene Verbot für Hotelbetreiber, für ihren Betrieb benötigte Lebensmittel auf lokalen Bauernmärkten zu kaufen, ist nur ein Beispiel dafür. Als Folge der Globalisierung konnten internationale Reiseanbieter mit Pauschalangeboten und „All-inclusive-Reisen“, die 70-80 Prozent des touristischen Angebots ausmachen, eine vorherrschende Marktposition in Kubas Tourismussektor erringen. Infolge dieser Separierung des Tourismus vom Alltag der Einheimischen hat sich in Kuba eine duale Wirtschaft herausgebildet, mit einer traditionellen Binnenwirtschaft und einem exportorientierten Sektor. Diese duale Wirtschaft spiegelt sich auch in einer einzigartigen Währungsdualität wider: In der Binnenwirtschaft wird mit dem nationalen Peso (CUP), im Export- und Tourismussektor mit dem Peso convertible (CUC) bezahlt, dessen Wert 1:1 an den US-Dollar gebunden ist. Das Verhältnis von CUP zu CUC ist dagegen in den Wechselstuben 1:24.
Infolge dieser beispiellosen Kombination von Plan- und Marktwirtschaft haben sich neue Formen des Eigentums und der Betriebsführung in Kuba herausgebildet. Der Staat beschafft sich Devisen, indem er Unternehmen und Selbstständige, die im exportorientierten Devisensektor tätig sind und Einnahmen in CUC haben, besteuert. Das betrifft beispielsweise die private Zimmervermietung an Ausländer, selbständige Taxifahrer oder kleine Privatrestaurants. Das starke Wachstum bei allen mit dem Tourismus in Verbindung stehenden Faktoren (Unterkünfte, Nachfrage, Einnahmen) hat im Laufe der vergangenen 15 Jahre zu einer sozialen und wirtschaftlichen Transformation der Lebensweise, der Umwelt und auch der Gesetzgebung geführt.
Export- und Importgüter
Zu Kubas wichtigsten Exportgütern zählen außer Zucker, Nickel und Tabak auch Fisch, zu einem erheblichen Anteil auch pharmazeutische Produkte, Zitrusfrüchte sowie Kaffee. Größte Abnehmer dafür sind China mit einem Anteil von etwa 25%, Kanada (etwa 20 %), Spanien (etwa 7%) und die Niederlande (etwa 4 %). 2010 lag das Exportvolumen Kubas bei geschätzten 3,3 Milliarden US-Dollar. Kuba importiert vor allem Erdöl, einen hohen Anteil seines Nahrungsmittelbedarfs, Fahrzeuge, Maschinen, Maschinenzubehör sowie Chemieerzeugnisse. Größte Lieferanten waren Venezuela mit ca. 30% Anteil, China (ca. 15 % Anteil), Spanien (ca. 8 % Anteil) und die USA (ca. 7 % Anteil). Das Gesamtimportvolumen Kubas lag 2010 schätzungsweise bei 10,25 Milliarden US-Dollar. Damit betrug das Handelsdefizit des Inselstaates knapp 7 Milliarden US-Dollar.
Internationaler Containerumschlagplatz
Mit dem Hafenausbau von Mariel plant Kuba, sich weitere Deviseneinnahmen zu erschließen und den Anschluss an den internationalen Handel zu vertiefen. Ab 2013 soll der vergrößerte Hafen von Mariel Havanna als Frachthafen ablösen und zwei große Containerschiffe von bis zu 15 Metern Tiefgang gleichzeitig aufnehmen können. Damit wird Mariel zum größten Container-Umschlaghafen der Karibik, das Containerschiffe aus Asien aufnimmt, die über den Panamakanal nach Kuba fahren, sowie US-amerikanischen Containern optimale Bedingungen bietet. Die Kapazität soll bei 850.000 bis 1 Million Containern liegen, das ist etwa das Dreifache der Kapazität des Frachthafens von Havanna. Realisiert wird dieser 600 Millionen teure Hafenausbau als Joint-Venture zwischen einem brasilianischen und einem kubanischen Unternehmen.
Mobilität und internationale Kommunikation
Gilt die Arbeitsmigration, also eine verstärkte Mobilität von Arbeitnehmern, als Kennzeichen für ein hohes Maß an Globalisierung, so will Kuba vor allem die Abwanderung seiner hochqualifizierten Berufsgruppen verhindern. Seitdem die Ausreisebedingungen für Kubaner gelockert wurden, benötigen kubanische Staatsbürger seit dem 14. Januar 2013 keine Ausreiseerlaubnis und auch keine Einladung aus dem Ausland mehr. Ein Pass und ein Einreisevisum ihres Ziellandes sind laut Außenministerium nun ausreichend. Bis zu 24 Monate dürfen privat reisende Kubaner nun im Ausland bleiben. Dennoch behält sich die Regierung Einschränkungen der Reisefreiheit in Ausnahmefällen vor – um einen „Brain Drain“, die Abwanderung gut Ausgebildeter, zu verhindern. Welche Berufsgruppen davon betroffen sind, wurde nicht bekannt gegeben. Auch was die globale Kommunikation über das Internet betrifft, ist dessen Verfügbarkeit und die Qualität in Kuba bisher stark eingeschränkt – so verfügen von je 1000 Einwohnern nur ca. 54 über einen Telefonanschluss (Deutschland: ca. 670), 80 über einen PC (Deutschland: 603) und lediglich etwa 60 sind Internetnutzer (Deutschland: 678).