Globalisierung in Myanmar
Myanmar – das frühere Burma – hat sich nach Jahren der Militärdiktatur in den letzten beiden Jahren gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft zunehmend geöffnet und deutliche Zeichen einer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Liberalisierung erkennen lassen, was zu einer Lockerung beziehungsweise Aufhebung zahlreicher gegen das Militärregime verhängter internationaler Sanktionen führte. Ein derartiger Schritt der Öffnung stellt die grundlegende Voraussetzung für eine künftige Teilnahme Myanmars an jenem Verflechtungsprozess auf Gebieten wie Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt und Kommunikation dar, welcher allgemein unter dem Begriff der Globalisierung zusammengefasst wird.
Wirtschaftliche und politische Ausgangssituation
Als 1962 das Militär durch einen Staatsstreich in Myanmar die Macht übernahm, hatte dies die Verstaatlichung der Industrie zur Folge, praktisch die gesamte Wirtschaft des Staates befand sich ab sofort unter umfassender Kontrolle der Militärs. Das Bildungswesen wurde durch den Staat reguliert, private Schulen oder Krankenhäuser existierten nicht mehr. Die Bevölkerung verarmte zusehends, Hungersnöte, Krankheiten sowie eine hohe Kinder- und Säuglingssterblichkeit waren die Folge. Trotz zahlreich vorhandener Bodenschätze fand sich Myanmar im internationalen Vergleich unter den ärmsten Ländern der Welt wieder. Privateigentum an Unternehmen sowie Grund und Boden war nur vom Regime privilegierten Personen vorbehalten, darüber hinaus wurde die Zentralbank des Landes durch das Regime zur Erreichung politischer Ziele instrumentalisiert. Auch durch die 1989 erfolgte Umbenennung des Landes in „Myanmar“, wodurch der jahrhundertealte Name „Burma“ nicht mehr verwendet werden durfte, diente den Machthabern dazu, ihrer Machtübernahme weltweite Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Indikatoren der Öffnung Myanmars und deren Hintergründe
Im November 2010 erfolgte ein überraschender Kurswechsel in der Regierungspolitik, welcher in den ersten Wahlen seit 1990 seinen Niederschlag fand. Am 4.Februar 2011 wurde der bisherige Premierminister Thein Sein zum ersten Präsidenten Myanmars seit 1988 ernannt. Obwohl dadurch der Einfluss der Armee noch nicht gänzlich ausgeschaltet schien, kam durch den Machtwechsel ein umfassender Reformprozess in Gang. Häfen, Fluggesellschaft sowie weite Teile der Industrie wurden privatisiert. Darüber hinaus wurde der Erwerb von Unternehmen sowie Grund und Boden durch Ausländer seitens der Regierung gestattet, private Investoren wurden eingeladen, sich an lukrativen Projekten zu beteiligen. Die Türen zu medizinischer Versorgung und Bildung wurden für alle Bürger geöffnet, auch die Zentralbank erhielt mehr Unabhängigkeit von politischen Einflüssen und wird nunmehr in der Ausübung ihrer Tätigkeit ausschließlich nach finanzmarktpolitischen Kriterien beurteilt.
Als Reaktion auf diese Liberalisierung kündigte Japan den Erlass der Schulden Myanmars, welche sich auf rund drei Milliarden Euro beliefen, an und erklärte sich bereit, seine Entwicklungshilfe wieder aufzunehmen, unter der Bedingung, dass das Land seinen Reformkurs fortsetzt. Die USA nahmen diplomatische Beziehungen mit Myanmar auf und Außenministerin Hillary Clinton traf sich mit der Führungsspitze Myanmars zu Gesprächen. Auch die EU hob ihre Sanktionen zum großen Teil auf, Einreiseverbote, Vermögenssperren und Handelsbeschränkungen wurden zunächst befristet außer Kraft gesetzt. Über die Gründe, die zu diesem Reformprozess führten, gibt es aus Regierungskreisen bis heute keine offizielle Stellungnahme. Internationale Beobachter sind der Ansicht, dass die durch die Isolation sowie das planwirtschaftliche System bedingten wirtschaftlichen Probleme, sowie der wachsende internationale Druck durch Wirtschaftssanktionen zu diesem Kurswechsel geführt hatten. Auch deutet die Tatsache, dass 2005 der Sitz der Regierung von Rangun ins Landesinnere nach Naypyidaw verlegt wurde, darauf hin, dass eine internationale Militärintervention befürchtet wurde.
Auswirkungen der Liberalisierung auf das Land
Die Beendigung der Isolation Myanmars bringt für das Land umfassende wirtschaftliche, soziale, aber auch politische Umwälzungen mit sich. Schließlich bedingt eine derartige Entwicklung unter anderem auch eine Hinwendung zu demokratischen Grundwerten wie Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Darüber hinaus können die Beziehungen zu den großen Nachbarländern China und Indien mit ihren aufstrebenden Märkten nun neu gestaltet werden, dies stellt auch einen zusätzlichen Anreiz für Investoren dar. Da Unternehmen nunmehr über die Möglichkeit verfügen, ausländische Fachkräfte einzustellen, ist ein Transfer von Know-how zu erwarten, der sich auf die Wirtschaft des Landes belebend auswirken wird. Die mit der Globalisierung des Landes einhergehenden Rechte und Pflichten werden das Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen stärken und sich insgesamt positiv auf das Selbstwertgefühl aller Bürger Myanmars auswirken.
Perspektiven für Myanmar
Die durch den Reformkurs der Regierung nun mögliche Teilnahme am Prozess der weltweiten Globalisierung bringt für Myanmar die Chance, neue Absatzmärkte zu erobern und Zugang zu modernen Technologien zu erhalten, auch kann das Land durch die bei Fortführung der Reformbemühungen mögliche Aufnahme als Mitglied internationaler Organisationen und Gemeinschaften mit tatkräftiger Unterstützung einschließlich finanzieller Hilfe bei der Bewältigung der massiven Wirtschaftsprobleme sowie der Modernisierung der veralteten Infrastruktur rechnen. Das Potenzial von Myanmar ist jedenfalls vielfältig.
So verfügt das Land nicht nur über reiche Öl- und Gasvorkommen, sondern auch über Bodenschätze wie Gold und Edelsteine. Chancen bestehen darüber hinaus am internationalen Markt vor allem in der nachhaltigen Nutzung der großen Waldbestände sowie als Exporteur von Reis und Meeresfrüchten.
Allerdings birgt eine bedingungslose Liberalisierung des Marktes theoretisch auch die Gefahr eines Ausverkaufes der verfügbaren Ressourcen an internationale Konzerne ohne Beteiligung der einheimischen Bevölkerung. Auch dürfte die Aufarbeitung der Vergangenheit Myanmars als Militärdiktatur keine einfache Angelegenheit werden. Angesichts derartiger Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass sich das Land möglichst schnell in die internationale Staatengemeinschaft eingliedern kann, da die durch die Globalisierung bedingte Verflechtung der internationalen Staaten für alle Beteiligten einen wirtschaftlichen und politischen Sicherheitsfaktor darstellt, und nicht zuletzt der Erhaltung des Friedens dient.