Globalisierung in Rumänien
Rumänien ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und liegt in dieser Runde mit der Bevölkerungszahl an siebter Stelle. Geographische Nachbarn sind Bulgarien, Serbien, Ungarn, die Ukraine und Moldawien.
Schatten der Vergangenheit
Nach dem Zweiten Weltkrieg unter sowjetischem Einfluss, erfolgte 1948 mit der Schlangeninsel die letzte Abtretung eines territorialen Gebietes an die Sowjetunion. Im selben Jahr wurde die Volksrepublik Rumänien ausgerufen und zunächst die Industrie, 1950 auch die Landwirtschaft verstaatlicht. Wenn es auch außenpolitische Bestrebungen zur Eigenständigkeit gab, erfolgte doch 1949 der Beitritt zum Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, 1955 schloss sich Rumänien dem Warschauer Pakt an. Die Sozialistische Republik Rumänien war unter der Führung von Nikolae Ceausescu ab 1965 von radikalen Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft geprägt. Kinderreichtum wurde gefördert, Abtreibung verboten, um die Bevölkerungsdichte anzuheben. Ursprünglich agrarisch geprägt, sollte im Land mit Hilfe ausländischer Kredite und Zwangsumsiedlung von Teilen der ländlichen Bevölkerung in Städte die Industrialisierung forciert werden.
Die Folge war ab 1970 eine drastische Unterversorgung der Menschen im Land. Professionelles Know-How für eine effiziente, volkswirtschaftliche Entwicklung fehlte, damit mangelte es Rumänien an Bonität für weitere Kredite aus dem Ausland, so dass Güter der Grundversorgung, im eigenen Land dringend benötigt, exportiert wurden. Jahrzehntelang war das Leben der rumänischen Bevölkerung geprägt von der Geheimpolizei Securitate und dem Personenkult um Ceausescu. Mauerfall und Wende in der DDR wirkten sich 1989 auch auf Rumänien aus, es kam zur Rumänischen Revolution, die tausende Tote forderte. Ceausescu wurde von einem Militärgericht verurteilt und am 25.Dezember 1989 standrechtlich erschossen.
Anschluss an die Gegenwart
Geographisch in der Übergangszone zwischen Süd-, Ost- und Mitteleuropa, hat Rumänien Ebenen und Gebirge, von denen die Karpaten der prägnanteste Gebirgszug sind. Für die Globalisierung wesentliche Faktoren sind neben Bodenschätzen wie Erdöl und Erdgas, Kohle und Salz, vor allem die natürlichen Ressourcen an Wasserkraft. Der Abbau der Rohstoffe erfolge jedoch wenig zukunftsorientiert und reduzierte das Potential drastisch. Wirtschaftswachstum war auf dem Gebiet des Dienstleistungssektors zu verzeichnen, während die Industrie noch unter den Folgen der jahrzehntelangen Misswirtschaft litt.
Waisen der Globalisierung
Nachdem das Ceausescu Regime zusammengebrochen war, wurden der Weltöffentlichkeit durch Medienberichte Tatsachen bekannt, die zuvor nicht zugänglich waren. In rumänischen Kinderheimen lebten vernachlässigte Kinder, deren Verwahrlosung vom Staat ignoriert worden war. An die Stelle der Waisen von damals sind die sogenannten Erdbeerwaisen getreten. Die Eltern dieser Kinder arbeiten vorwiegend in Italien und Spanien als Arbeitsmigranten. Dort verdienen sie besser als in der Heimat, obwohl sie an ihren neuen Arbeitsplätzen als billige Arbeitskräfte gelten. Die Angaben über ihre Zahl schwanken zwischen zwei und mehr als drei Millionen. Während ihre Kinder zuhause als Waisen der Globalisierung warten, arbeiten die Eltern in der Gastronomie, auf Tomaten- oder Erdbeerfeldern für Dumping-Löhne. Wer Glück hat, wird von den Großeltern versorgt. Viele brechen die Schule ab und leben ohne familiäre Unterstützung auf der Straße. Von nahezu 200.000 Kindern ist die Rede, die unmittelbar den Folgen der Globalisierung zum Opfer fallen. Der Staat gibt ihren Eltern, den Auslandsrumänen, keine Alternative für ein krisensicheres Leben im eigenen Land.
Made in Globalisierung
Der echte oder projizierte Bedarf an standardisierten Konsumprodukten wächst weltweit nach wie vor in kaum vorstellbarem Ausmaß. Preise werden mittels Massenproduktionen gedrückt, Konzerne nutzen die Globalisierung, um Produkte in einem weltumspannenden Markt kostengünstig und mit größter Wertschöpfung herstellen zu können. Die Etikette „Made in Germany“ hat in einer Welt, die von Globalisierung geprägt ist, kaum noch Aussagekraft. Der Wertschöpfungsanteil des fertigen Produktes durch das Herkunftsland wird immer kleiner. Länder, die sich für globale Arbeitsteilung öffnen, werden von der Globalisierung profitieren. Zu den größten ausländischen Investoren in Rumänien gehört die Continental AG mit ursprünglich 3.750 Mitarbeitern. Nach Übernahme von Siemens-VDO-Standorten in Rumänien, gehört Continental AG mit 140.000 Mitarbeitern in Europa zum wichtigsten Produktions- und Entwicklungsstandort, in der Welt zu einem der fünf größten Automobilzulieferer.
Rumänische Studenten sehen die Globalisierung kritisch. Sie befürchten als Folge, dass Arbeitsplätze in „Billiglohnländer“ wie etwa Asien ausgelagert werden, obwohl Rumänien aus deutscher Sicht als Niedrigkostenland gilt. Mehr als die Hälfte der Studenten würde bei vergleichbaren Arbeitsangeboten aus dem In- und Ausland den Arbeitsplatz im Ausland wählen.
Rumäniens Wirtschaft heute
Während das Bruttosozialprodukt zu Zeiten der Rumänischen Revolution 1989 unter 5.000 US-Dollar pro Kopf lag, stieg es bis 2009 auf 7.300 US-Dollar pro Kopf. Technisch anspruchsvollere Produkte sind Zeichen eines Strukturwandels, der die Ölindustrie, Petrochemie und Metallurgie kennzeichnet. Industriegüter und Maschinen machen drei Viertel der Exportgüter aus. Auf dem Technologie-Sektor entwickelt sich die IT-Branche und Telekommunikation erfolgversprechend. Die Verarbeitung der Bodenschätze Erdöl und Erdgas gehört zu den wichtigsten Industriezweigen. Deutsche, Briten, Franzosen und Ungarn haben Rumänien als Urlaubsland entdeckt. Touristische Großprojekte im Kreis Hunedora und nahe Bukarest sind geplant, um den Tourismus weiter anzukurbeln.
Nach den wirtschaftlichen Krisenjahren 2009 und 2010 war wieder ein positiver Trend zu verzeichnen. Rumänien profitiert jedenfalls von der EU-Mitgliedschaft, wenn es beispielsweise aus dem Globalisierungsfonds unterstützt wird, um die Entlassung von Arbeitskräften bei SC Nokia Romania S.R.L. abzufangen. Den Kern jeder Globalisierung definiert treffend Percy N. Barnevik, Verwaltungspräsident bei Asea Brown-Bovery, einer der größten transnationalen Konzerngruppen weltweit: „Ich würde Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen definieren, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und zu verkaufen, wo sie will und die möglichst geringsten Restriktionen zu unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen oder anderen sozialen Übereinkünften resultieren.“ (zit. von Peter Niggli in: Tages-Anzeiger 2001)