Globalisierung in Serbien
Serbien ist jener Teil des ehemaligen jugoslawischen Staates, der durch den Krieg – und auch durch das nachfolgende Milosevic-Regime – den schwersten Image-Schaden davongetragen hat. Vor allem durch die anfängliche finanzielle und militärische Unterstützung der bosnischen Serben im Jugoslawien-Krieg und deren ethnische Säuberungen, aber auch durch die Brutalität des Milosevic-Regimes und die schweren Menschenrechtsverletzungen im Kosovo-Krieg. Mit dem Ende der Milosevic-Ära kam es aber auch in Serbien zu wichtigen Veränderungen, ein erster Umbruch erfolgte bereits 2000 durch die Regierung Dindic, und nach seiner Ermordung besonders durch den liberalen Boris Tadic. Mit dem Beitrittsantrag zur EU hat Serbien 2009 einen wichtigen Schritt in Richtung einer Integration innerhalb Europas unternommen, seit März 2012 ist es auch offiziell Beitrittskandidat. Völkerrechtlich gilt es, seit der Trennung von Montenegro, als Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien. Die rechtliche Selbständigkeit des Kosovo wird bislang weder von den Serben noch international anerkannt, der Konflikt schwelt weiter und bereitet Serbien bis heute große Probleme. Die Stabilität innerhalb des serbischen Kernlandes hat sich mittlerweile aber verbessert, und auch die nationalistischen Bevölkerungsteile verhalten sich eher gemäßigt.
Die wirtschaftliche Entwicklung Serbiens seit dem Jugoslawienkrieg
Innerhalb des jugoslawischen Staatenbundes war Serbien eindeutig der wirtschaftlich stärkste Teil, der auch die solideste Infrastruktur innerhalb Jugoslawiens aufwies. Während der neunziger Jahre kam die jugoslawische Wirtschaft praktisch komplett zum Erliegen – Grund dafür waren nicht nur EU-Sanktionen, sondern auch die teure Unterstützung der serbischen Truppen in den anderen Landesteilen und die Schließung zahlreicher Industriebetriebe und der Wegfall des innerjugoslawischen Handels. Ein Großteil der Bevölkerung lebte bereits Mitte der neunziger Jahre am Rande einer Hungersnot, für viele gelang das Überleben nur mit Hilfe von im Ausland lebenden Verwandten und mit illegalen Aktivitäten sowie durch Selbstversorgung. Nach Ende des Regimes Milosevic zeichnet sich aber schnell eine Stabilisierung der serbischen Wirtschaft ab, die aufgrund der Globalisierung zahlreichen im Land getätigten Investitionen verschafften der Wirtschaft auch in den ersten Jahren ein solides Wachstum. Die Reformen und die Umwandlung des ehemaligen planwirtschaftlichen Systems in eine funktionierende Marktwirtschaft gingen rasch und reibungslos vor sich – sehr viel schneller und mit weniger Problemen behaftet als in vielen anderen Staaten des ehemaligen östlichen Blocks. Zur Stabilisierung trugen vor allem die stetig hohen Investitionen der ausländischen Wirtschaft massiv bei, schon in den ersten Jahren nach dem Regimewechsel wurden mehr als 12 Milliarden Euro direkt in Serbien investiert. Auf die Stabilhaltung der Währung wird dabei von Serbien streng geachtet, durch gezieltes und ordnendes Eingreifen der serbischen Nationalbank konnte auch die Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010 gut abgefedert werden.
Lebensstandard
Der Lebensstandard der Bevölkerung im Land hat sich innerhalb der letzten Jahre deutlich gebessert, wenn auch immer noch ein großer Aufholbedarf besteht – das Arbeitseinkommen liegt im Durchschnitt immer noch unter 400 Euro, die Arbeitslosenquote pendelt um Werte von 20 bis 25 Prozent, und rund 8 Prozent der Bevölkerung müssen immer noch mit einem Einkommen unter der absoluten Armutsgrenze leben, die in Jugoslawien bei etwa 80 Euro Monatseinkommen liegt. Vor allem durch die Handelserleichterungen mit der EU, die Serbien bereits 2009 gewährt wurden, und mit seinem Status als EU-Beitrittskandidat ist ein wichtiges wirtschaftliches Potenzial für Serbien verbunden.
Daneben verfügt das Land auch über Freihandelsabkommen mit Russland, der Türkei und einigen ehemaligen russischen Staaten. Daneben profitiert Jugoslawien vor allem von der fruchtbaren Vojvodina, vom Weinbau in der Fruska Gora und vom Obstbau vor allem im Norden des Landes auf dem landwirtschaftlichen Sektor, und von einem starken Zunehmen des Tourismus vor allem in den Großstädten und in den zahlreichen Naturschutzgebieten. Die vielen weitgehend gut erhaltenen historischen Kulturdenkmäler – insbesondere die byzantinische Baukunst – stellen eine weitere Hauptattraktion für den Tourismus dar, insgesamt betragen die touristischen Umsätze im Land bereits umgerechnet rund eine Milliarde Dollar pro Jahr. Im Bereich der Infrastruktur – vor allem bei der Energieversorgung und im Bereich der Verkehrswege – sind hohe Investitionen geplant, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Serbien weiter auszubauen. Mit einem erfolgreichen EU-Beitritt würden für viele Projekte dann auch entsprechend hohe Förderungen für die Verbesserung der Infrastruktur bereitstehen, was gerade für Serbien sehr positive Auswirkungen haben würde.
Die gesellschaftliche Situation in Serbien
Trotz der teilweise immer noch sehr schwierigen Lebensbedingungen für viele Menschen im Land und der oft noch prekären finanziellen Lage des jungen Staates hat sich die Stimmung in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Auch die nationalistischen Bestrebungen im Land sind deutlich zurückgegangen und vielerorts einer Hinwendung zu Europa gewichten. Nicht alle Nationalitätenkonflikte und Kriegstraumata sind bislang überwunden, insgesamt befindet sich die Gesellschaft aber auf einem guten Weg dazu, die schrecklichen Kriegsereignisse beim Auseinanderbrechen des jugoslawischen Staates hinter sich zu lassen. Die Hinwendung zu Europa und den europäischen Nachbarländern wird auch verstärkt durch eine hohe Zahl von verwandtschaftlichen Verbindungen zu im Ausland lebenden geflüchteten Serben. Viele von ihnen sind mittlerweile auch bereit, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, was als sehr positives Zeichen für den Aufschwung des Staates gedeutet werden kann. Mit der verstärkten Hinwendung zu Europa ist es auch zu einer deutlichen Europäisierung der Gesellschaft gekommen – was ebenfalls positiv gedeutet werden kann. Jahrhundertealte nationalistische Konflikte können so, vor allem von der jungen Generation, wesentlich leichter überwunden werden, vor allem von jenen, die im Ausland geboren wurden, oder dort aufgewachsen sind. Ein EU-Beitritt Serbiens innerhalb der nächsten Jahre gilt als sehr wahrscheinlich, und wird vermutlich viele weitere positive Auswirkungen auf die Gesellschaft mit sich bringen, dazu noch eine sehr viel weiter gehende politische Stabilisierung.
Der Einfluss der Globalisierung auf die jüngste Geschichte Jugoslawiens und vor allem Serbiens
Von vielen werden die Nationalitätenkonflikte, die Autonomiebestrebungen und das schleichende Auseinanderbrechen des jugoslawischen Staates als von der weltweiten Globalisierung gedeutet – wesentlich wahrscheinlicher ist aber, dass mit dem Tod Titos 1980 und dem Ende seiner gewaltsamen Herrschaft lediglich bis dorthin unterdrückte Kräfte frei geworden sind, und zu den Konflikten geführt haben. Wesentlich ist aber, festzustellen, dass gerade ein internationales, geeintes Eingreifen in den Krieg, die Verhängung von gemeinsam getragenen Embargos und Sanktionen der EU ganz wesentliche Mittel waren, um den Krieg in Jugoslawien gezielt zu Beenden und zu einer relativen Befriedung zu führen, anstatt, wie in früheren Jahrhunderten, durch die Einbringung einzelner nationalstaatlicher Interessen und die unterschiedliche Parteinahme für verschiedene Seiten einen Flächenbrand anzuheizen – und möglicherweise einen Weltkrieg. Das geeinte Vorgehen der internationalen Gemeinschaft bei entstehenden Krisenherden – wie es durch die Globalisierung und die relative Europäische Einheit entstanden ist – kann somit als ein wichtiges Mittel zur Wahrung des Friedens und zur Kriegsprävention angesehen werden.
Auch wirtschaftlich hat Serbien stark von der Globalisierung profitiert – die hohe Zahl von Investitionen einer globalen Wirtschaft in das Land und der Zugang zu globalen Märkten haben wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung Serbiens beigetragen. Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass in einem geeinten Europa die Aufnahme und Versorgung sowie die Lebensmöglichkeiten für die zahlreichen Flüchtlinge während des Krieges wesentlich besser gewährleistet war, als das noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen ist. Das haben frühere Flüchtlingskrisen hinreichend bewiesen. Ein wesentlicher Effekt der Globalisierung – und das wird häufig von vielen übersehen – ist eben auch, dass in einer globalisierten Welt mehr und wirksamere Instrumente zur Wahrung und Schaffung des Friedens in einzelnen Brennpunkten bereitstehen, und durch die relative internationale Einheit die Ausbreitung von Kriegen wirksam verhindert werden kann, bevor sie wie so oft im letzten Jahrhundert zu Flächenbränden mit weltweiter Beteiligung führen können.