Globalisierung in Tunesien
Tunesien ist geografisch gesehen das nördlichste Land des afrikanischen Kontinents und grenzt an das Mittelmeer. Im Westen grenzt das Land an Algerien, im Südosten an Libyen. Die Globalisierung beeinflusst Tunesien bereits seit mehreren Jahrhunderten und der Einfluss verschiedener Länder und Kulturen auf Tunesien geht bis 800 vor Christi zurück. Auch wenn Tunesien von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) als Schwellenland eingestuft wird, ist es das wettbewerbsfähigste Land Afrikas. In Bezug auf den Außenhandel und die Tourismuswirtschaft ist Tunesien stark an Europa ausgerichtet und profitiert damit von der stetigen Globalisierung. Vor allem im Export von Olivenöl und Wein kommt Tunesien eine bedeutende Stellung zu. Europa ist für Tunesien der bedeutendste Handelspartner. So stammen etwa 75 Prozent der Importe auf Europa, während die europäischen Länder etwa 80 Prozent der tunesischen Exporte abnehmen – allen voran Frankreich, Italien und Deutschland. Die Handelsbilanz ist dennoch negativ, durch den Tourismus kann dieses Defizit jedoch ausgeglichen werden.
Die Geschichte Tunesiens im Zeichen der Globalisierung
Die tunesische Bevölkerung fühlt sich zu 98 Prozent in Bezug auf seine ethnische Herkunft den Arabern zugehörig, auch wenn sie aus genetischer Betrachtungsweise näher mit den Berbern und Iberern in Beziehung stehen. Durch die bewegte Geschichte des Landes brachten zahlreiche Zivilisationen wie die Phönizier, Römer, Ottomanen, Franzosen, Mauren und Juden ihre jeweiligen Einflüsse mit in das heutige Tunesien. Aus Sicht der Globalisierung ist Tunesien daher ein Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen und Völker. Durch seine Lage am Mittelmeer war das frühe Tunesien bereits im 8. Jahrhundert vor Christi geprägt durch Handel zwischen verschiedenen Völkern und deren Entdeckungs- und Eroberungsreisen. Phönizische Siedler gründeten bereits 814 vor Christi die Stadt Karthago, welche im Laufe der Jahre zur größten Autorität im Mittelmeer-Raum wurde. Durch die konkurrierenden Machtverhältnisse mit dem Römischen Reich kam es zu Konflikten, die im 3. Jahrhundert vor Christi in den Punischen Kriegen mündeten. Am Ende dieser Kriege wurde Karthago durch die Römer zerstört und Cäsar gründete eine römische Kolonie namens Afrika auf dem heutigen Gebiet Tunesiens.
Hier sind die frühen Anfänge der Globalisierung zu finden, da die Kolonie neben Ägypten wichtige Güter wie Olivenöl und Getreide nach Rom lieferte. Zum Mittelpunkt der Antike siedelten sich in der Folge auch zunehmend Christen und Juden in Tunesien an. 439 nach Christi wurde Karthago durch die Vandalen und Alanen erobert, die die katholische Religion unterdrückten und ihre eigenen religiösen und kulturellen Ansichten durchsetzen wollten, was jedoch nicht gelang. Ab dem Jahr 647 begannen die Araber mit der Eroberung Tunesiens, kurz darauf folgten die Byzantiner und Berber im Kampf und Land und Rohstoffe. Damit hielt auch der Islam Einzug in das Land, Moscheen wurden errichtet und verdrängten die katholische Kirche. Die nächsten Jahrhunderte waren geprägt durch Kämpfe zwischen verschiedenen Dynastien, Religionen und die Vormachtstellung im Seehandel, die im 9. Jahrhundert die Globalisierung wesentlich vorantrieb. Im 14. Jahrhundert wanderten verstärkt Juden und Maurer in das florierende Tunesien ein und auch die Spanier, wollten Teile des Landes für sich beanspruchen. Lange Zeit blieb Tunesien unter osmanischer Herrschaft, die dennoch eine gewisse Selbständigkeit und Modernisierung des Landes ermöglichte.
Einfluss der Franzosen
Durch die ausländische Einflussnahme und die Streitigkeiten innerhalb des Landes musste die Regierung 1869 den Staatsbankrott ausrufen und die daraufhin gegründete britisch-französisch-italienische Finanzkommission regelte Tunesien nach den jeweiligen Interessen der Heimatländer. Frankreich betrachtete Tunesien als weitere Kolonie und erhielt zudem Befugnisse bezüglich der Außen- und Innenpolitik Tunesiens. Die Franzosen förderten zum einen die Bildung, wie das Erlernen der französischen Sprache, trieben aber auch die Entwicklung der Landwirtschaft voran, um Güter verschiffen zu können. Ab 1907 kam es zu vermehrten Widerstand gegen die französische Besatzung und führte zum Ausnahmezustand des Landes zwischen 1914 und 1921. Da keine Einigung erzielt werden konnte, kam es vor allem 1938 immer wieder zu Auseinandersetzungen die bis 1954 andauerten, als Tunesien eine innere Autonomie durch die Franzosen zugesichert wurde. Am 20.03.1956 erkannte Frankreich schließlich die Selbständigkeit Tunesiens an. Dennoch kam es bis in das 21. Jahrhundert hinein immer wieder zu Unruhen durch unterschiedliche Machtinteressen und religiöse Ansichten. Die vielfältigen religiösen Gruppen und Menschen verschiedenster Herkunft als Folge der frühen Globalisierung, waren immer wieder Auslöser für Auseinandersetzungen.
Die Revolution in Tunesien von 2010/211
Ein Zeichen der Globalisierung ist unter anderem der schnelle Austausch von Informationen durch das Zusammenwachsen von Medien und Kommunikationskanälen über verschiedene Länder hinweg. Dieser Fortschritt der Globalisierung hatte zur Folge, dass der Kampf der tunesischen Bevölkerung für Meinungs- und Pressefreiheit und gegen Reisebeschränkungen und willkürliche Verhaftungen im Jahr 2010 auf der gesamten Welt beobachtet wurden. Die Unruhen richteten sich gegen die Kleptokratie um den damaligen Präsidenten Ben Ali und die Korruption der Regierung. Im Januar gipfelte dieser Protest in der Jasminrevolution, in Folge derer die Regierung Alis aufgelöst und Neuwahlen angesetzt wurden. Dabei ging der politische Druck nicht nur von der tunesischen Bevölkerung, sondern auch ausländischen Staatschefs aus. Am Beispiel Tunesiens zeigt sich, dass in der weit vorangeschrittenen Globalisierung des 21. Jahrhunderts es kaum möglich ist, ein Land vollkommen autark zu regieren. Denn damit geht auch die Globalisierung demokratischer Prinzipien einher. Großen Staatengemeinschaften kommt in diesem Zusammenhang eine immer größere Rolle zu.
So fanden am 23.10.2011 die ersten freien Wahlen statt zu einer verfassungsgebenden Versammlung statt, bei der die islamistische Partei Ennahda als Sieger hervorging und Hamadi Jebali als Premierminister eingesetzt wurde.
Der Tourismus als Nebeneffekt der Globalisierung
2009 erwirtschaftete der Tourismus in Tunesien 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit 6,8 Millionen Touristen. Aufgrund der tunesischen Revolution reisten 2011 nur noch 4,8 Millionen Touristen in das Land, darunter 460.000 Deutsche. Aufgrund der vereinfachten Reisemöglichkeiten und den niedrigeren Reisekosten, die ebenfalls mit der zunehmenden Globalisierung einhergehen, steht Tunesien als Touristenziel jedoch auch in direkter Konkurrenz zu seinen Nachbarländern wie Ägypten, Marokko und der Türkei. Nicht nur wirtschaftlich übt die Tourismusbranche großen Einfluss auf Tunesien. Durch die Besucher aus zahlreichen Ländern und die geographische Nähe zu Europa, sind europäische Sprachen im Land verbreitet. Amtssprache ist jedoch das Schriftarabische. Umgekehrt leben etwa eine Million Tunesier im Ausland, vor allem in Frankreich und Italien, und bringen dort ihre kulturellen und ethnischen Einflüsse ein. Der schnelle Austausch zwischen verschiedenen Ländern und die Vermischung von Kulturen und Genen als Folge der Globalisierung zeigt sich auch am Beispiel Tunesiens.
Die Kultur in Tunesien
Die bewegte Geschichte Tunesiens mit Einwanderern aus Frankreich, Spanien, Arabien, der Türkei und Westafrika spiegelt sich in der vielfältigen Kultur wider. So zeigt die Architektur vieler Städte wie in der Hauptstadt Tunis Einflüsse der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und auch einige Straßenschilder in französischer Sprache sowie in der römischen Zeit entstandene Bauwerke sind noch erhalten. In der tunesischen Küche zeugen Käse, Croissants und Baguettes von den französischen Einflüssen.
Im Bereich Musik zeigt sich die Vermischung der Kulturen im Zuge der Globalisierung vor allem in arabisch-andalusischer Musik, die von andalusischen Flüchtlingen mitgebracht wurde. Heute üben ägyptische und lybische Musik Einfluss auf die tunesische Musikkultur. Und auch Rock- und Pop-Musik aus westlichen Ländern halten zunehmend Einzug in Tunesien. Anhand von Tunesien zeigt sich, dass es eine innenpolitische Herausforderung ist, sich mit der kulturellen Vermischung und der Globalisierung über Jahrhunderte hinweg immer wieder neu auseinanderzusetzen. Gleichzeitig bedeutet Globalisierung nicht nur Fortschritte in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht.