Globalisierung in Weißrussland
Der Begriff Globalisierung steht für die zunehmende internationale Verflechtung von vielen Bereichen wie beispielsweise Wirtschaft, Kultur, Politik, Umwelt, Kommunikation usw. Hierbei verdichten sich die globalen Beziehungen nicht nur auf der Ebene der Staaten und Institutionen, sondern auch auf der Ebene der Individuen und Gesellschaften. Vor allem der technische Fortschritt hat maßgeblich zur Verbreitung der Globalisierung beigetragen, zum Bespiel durch Neuerungen in der Kommunikations- sowie Transportbranche oder auch durch politische Entscheidungen in Hinblick auf die Liberalisierung des Welthandels. Auch in Weißrussland dominiert die Globalisierung den Alltag der Menschen. Viele Produkte importiert das Land aus anderen Ländern. Trotzdem ist Weißrussland politisch gesehen seit einigen Jahren isoliert. In dem Land kommt es wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen und es gibt zahlreiche demokratische Mängel, die der Europarat und die OSZE nicht tolerieren. Trotzdem ist das Land in die internationale Arbeitsteilung stark involviert, was vor allem die Textilindustrie betrifft. Weißrussland wird als Nähstube Europas bezeichnet, weil hier fast alle namhaften Bekleidungsfirmen aus ganz Europa produzieren lassen. Mehr zum Thema Globalisierung in Weißrussland erfahren Sie in diesem Beitrag.
Welche Auswirkungen hat die Globalisierung für Weißrussland?
Die Globalisierung äußert sich vor allem in Form von Lohnveredelung, das heißt westeuropäische Unternehmen schicken geschnittene Stoffe nach Weißrussland und dort fertigt Näher dann die Kleidung an. Anschließend werden die fertigen Kleidungsstücke zollfrei wieder zurückgeschickt. Auf diese Weise verlassen jedes Jahr ungefähr zwei Millionen Kleidungsstücke das Land. Im Zielland kann keiner erkennen, wo das Kleidungsstück letztendlich genäht wurde, weil die Kunden Kleidung aus einer Diktatur meiden könnten. In den Fabriken arbeiten meistens Frauen. Sie sind gerne gesehen, weil sie besonders günstig und viel billiger als Arbeitskräfte aus Italien, Polen oder Tschechien sind. Eine Näherin verdient nur ungefähr 200 Euro im Monat. Dennoch wird die Kleidung in Weißrussland nicht billiger als in China produziert. Der Vorzug der Näherinnen besteht allerdings in ihrer Geschwindigkeit. Sie arbeiten sehr diszipliniert und schnell. Ferner sticht hierbei insbesondere der kurze Transportweg von Weißrussland nach Europa ins Auge. Auf diese Weise sind sie viel flexibler und schneller.
Darüber hinaus entwickelte sich vor allem der Außenhandel Weißrusslands zum Positiven. Der Handelsumsatz stieg in den vergangenen Jahren um über 25 Prozent, wobei vor allem die Textilindustrie einen großen Anteil hat. Ebenso werden in Weißrussland die Polizeihemden aller deutschen Bundesländer genäht.
Die politische Situation in Weißrussland
Die politische Führung von Weißrussland sieht sich bei den europäischen Nachbarn jedoch deutlicher Kritik ausgesetzt. Denn hierbei handelt es sich um die letzte Diktatur in Europa, daher wird das Land auch nicht in nächster Zukunft der EU betreten können. Bereits seit dem Jahr 1994 ist der Präsident Lukaschenko im Amt. Er ließ per Referendum die Verfassung ändern, so dass keine Beschränkungen hinsichtlich der Amtszeit des Präsidenten mehr gelten. In Weißrussland gibt es zahlreiche demokratische Defizite und das Land unterliegt einem autoritären Regierungsstil. Das Vertretungsorgan des Volkes sowie das Gesetzgebungsorgan ist das Parlament, welches aus zwei Kammern besteht. Ein großes Problem in Weißrussland ist die Missachtung der Menschenrechte. Amnesty International fand 2010 heraus, dass nicht nur drei Todesurteile vollstreckt worden sind, sondern dass es mehrere Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie des Versammlungs- und Demonstrationsrecht gab. Mehrere Oppositionelle wurden auf Demos aufgrund regimekritischer Äußerungen verhaftet.
Ferner traten im Jahr 2012 eine neue Verordnung in Bezug auf den Internetverkehr in Kraft, wonach Nutzer sich in öffentlichen Internetcafés registrieren müssen und ein Protokoll geführt werden darf. Da sich die Lage der Menschenrechte in Weißrussland zunehmend verschlechterte, verhängt der Rat der Europäischen Union 2011 ein Waffenembargo und ein Exportverbot für Materialen und erweiterte die Liste derjenigen, die nicht in die EU einreisen dürfen. Ferner äußerte sich die EU negativ zu den Einschränkungen der Medienfreiheit und der Nichtbeachtung von diplomatischer Immunität. Im Jahr 2012 kam es sogar zu einem diplomatischen Streit zwischen Schweden und Weißrussland, weil Schweden die undemokratischen Gegebenheiten in dem Land kritisierte und die Opposition unterstützte.
Welche Entwicklung machte die weißrussische Wirtschaft durch?
Bis heute wurde die Wirtschaft nicht in eine Marktwirtschaft umgewandelt, weil die Regierung nach wie vor die Planwirtschaft bevorzugt. Dennoch war die Wirtschaft größtenteils stabil aufgrund der guten Wirtschaftsbeziehung zu Russland. Vor allem die Landwirtschaft und die Industrie sind fast vollständig in der Hand des Staates. Schwierigkeiten traten auf, als Russland die Rohölpreise anhob und Weißrussland in diesem Bereich seine bevorzugte Stellung verlor. Demgegenüber wird die Landwirtschaft von zwei Hauptzweigen beherrscht, und zwar dem Anbau von Kartoffeln und der Viehzucht. Innerhalb der ehemaligen Sowjetunion war Weißrussland eine der am weitesten entwickelten Republiken. Momentan befindet sich Weißrussland in einer der schlimmsten Finanzkrisen seit seiner Unabhängigkeit, was wiederum Russland ausnutzt, indem es 7 der 32 Banken in dem Land kontrolliert.
Ferner laufen die Streitkräfte Gefahr unter russische Kontrolle zu geraten. Außerdem ist Weißrussland für den internationalen Tourismus kaum erschlossen. Sie brauchen ein Visum, um in das Land zu reisen. Dafür bietet die weißrussische Hauptstadt zahlreiche Sehenswürdigkeiten, unter anderem 18 Museen und zwölf Theater sowie mehrere historische Orte und Baudenkmäler. Aufgrund seiner Lage ist Weißrussland ein sehr wichtiges Transitland zwischen Russland und Europa. Durch die Pipelines fließen 50 Prozent des russischen Erdöls und 25 Prozent des Erdgases. Vor allem wegen der politischen Verhältnisse wird jedoch häufiger auf Nordeuropa oder die Ukraine ausgewichen. Ferner wurde der Bau einer Pipeline durch die Ostsee nach Russland beschlossen.
Wie ist die aktuelle Lage?
Im September 2012 fanden in Weißrussland erneut Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war weder frei noch fair und wurde von zahlreichen Unregelmäßigkeiten begleitet. Zahlreiche oppositionelle Kandidaten wurde die Kandidatur einfach verweigert. Auch bei der Auszählung fielen Wahlbeobachtern gravierende Unregelmäßigkeiten auf. Letztendlich bekam Lukaschenko sein gewünschtes handzahmes Parlament. Ferner begann Lukaschenko bereits 2003, seine präsidiale Machtvertikale in allen gesellschaftlichen Bereichen auszubauen. Zahlreiche unabhängige Organisationen wurden dazu gezwungen, sich aufzulösen und es war unmöglich neue oppositionelle Vereinigungen zu gründen. Darüber hinaus gibt es seit 2004 eine schwarze Liste, auf der Musiker und ihre Lieder stehen, die in staatlichen Medien nicht mehr gespielt werden.
Ebenso wurde die unbefristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst aufgehoben und durch Zeitverträge ersetzt. Letztendlich waren Parteien und andere Organisationen dazu gezwungen, ihre Aktivitäten in den Untergrund zu verlegen, damit sie über eine Chance hatten, ihre Meinung zu verbreiten. Auch während der Präsidentschaftswahlen 2006 demonstrierte Lukaschenko die Bereitschaft undemokratische Mittel einzusetzen. Er kontrollierte Wahlkampf, Wahlen und Stimmauszählung, so dass die Wahl zu seinen Gunsten ausging. Alles in allem hat Lukaschenko es geschafft seine Diktatur in dem Land zu festigen. Es mangelt vor allem an Zivilgesellschaft und Rechte für die Opposition. Inwieweit die Globalisierung zu einer politischen Öffnung Weißrusslands beitragen kann, wird zu beobachten sein.