Oak Island
Zahlreiche Inseln Nordamerikas tragen den Namen Oak Island, zu Deutsch Eicheninsel. Nur eine aber erlangte wegen eines angeblich dort verborgenen Schatzes und wegen der bislang vergeblichen Bergungsversuche zu Bekanntheit mythischen Ausmaßes. Dieses Oak Island erhielt im 19. Jahrhundert den Spitznamen Money Pit, was Geldgrube bedeutet, weil es nicht gelang, trotz hoher investierter Beträge das Rätsel der Insel und des auf ihr ausgegrabenen geheimnisvollen Schachtes zu lösen. Oak Island liegt in der Mahone Bay in Nova Scotia an der Südostküste Kanadas, umgeben von rund 350 weiteren Inseln. Bei den Ureinwohnern der Insel handelt es sich um so genannte Mi’kmaq oder Micmac-Indianer, deren traditionelles Lebensgebiet im Süden und Osten der Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms lag. Erste Europäer setzten nach heutigen Erkenntnissen ab 1605 Fuß auf die Insel. Oak Island befindet sich auf ungefähr 200 Metern Abstand vom Festland, mit dem die Insel seit 1965 durch einen Damm verbunden ist. Ihren Namen verdankt sie dem ursprünglichen Baumbestand aus Eichen, wodurch sie sich von den Nachbarinseln unterschied. Oak Island, wo mittlerweile keine Eichen mehr wachsen, ist etwa eineinhalb Kilometer lang und einen Kilometer breit.
Erste Grabungen
Bekanntheit erlangte Oak Island erstmals durch den Artikel eines J.B. McCully, der im Oktober 1862 im Liverpool Transcript erschien und der offenbar eine aus mündlicher Überlieferung bekannte Geschichte wiedergibt, welche die Grundlage für alle im Folgenden stattgefundenen Schatzsuchen bildet. Der Artikel berichtet, dass der junge Holzfäller Daniel McGinnis auf der als unbewohnt geltenden Insel 1795 eine ominöse Vertiefung bemerkte, in deren Nähe sich um einen Baum geschlungene Reste eines Seils und ein eingekerbter Ast fanden. Mit seinen Freunden John Smith und Anthony Vaughan begann er mit der Aushebung der Vertiefung und legte dabei eine Lage von Schieferplatten offen, die nicht von der Insel sondern nur vom Festland stammen konnten. Darunter fanden die Männer in Tiefen von drei, sechs und neun Metern jeweils eine Schicht horizontal verankerter Holzstämme. Nach dem Erwerb des entsprechenden Grundstücks durch John Smith setzten die drei Männer die Ausgrabungen am Schacht im Jahr 1804 fort, nun mit Unterstützung der Onslow Company als Sponsor, die von einem hier versteckten Schatz ausging. Auf zwölf Metern Tiefe wurden im Schacht weitere Holzstämme sowie Reste von Kokosfasern gefunden, die nicht aus der Umgebung stammen konnten, die aber zu jener Zeit zum Polstern von Fracht auf See gebräuchlich waren. Dies wurde von den Ausgräbern als Bestätigung der Theorie eines hier ehemals befindlichen Piratennests inklusive verstecktem Schatz betrachtet.
Fortgesetzte Grabungen legten weiterhin alle drei Meter eine Holzschicht frei, bis in einer Tiefe von 30 Metern eine größere Schieferplatte mit Maßen von 60 cm Länge, 30 cm Breite und 5 cm Dicke angetroffen wurde, auf der angeblich unlesbare Zeichen eingeritzt waren. Nachdem John Smith diese Platte zunächst als Wand in seinem Kamin eingesetzt hatte, ist ihr Verbleib heute unbekannt. Nach zwei weiteren Tiefenmetern stießen die Männer erneut auf Widerstand. Als die Ausgrabungen am Folgetag fortgesetzt werden sollten, fanden sie den Schacht zu ihrer Überraschung bis auf 18 Meter mit Wasser gefüllt vor. Nach vergeblichen Versuchen, das Wasser abzupumpen oder abfließen zu lassen, wurde die Suche vorläufig eingestellt.
Schatzgräber bis ins 20. Jahrhundert
Die Arbeiten am Schacht lagen 40 Jahre lang brach. Im Jahr 1849 begann die Truro Company mit moderner Gerätschaft, das Wasser abzupumpen und den Schutt zu beseitigen. Dabei stieß man bis auf die zuvor erreicht Tiefe von 32 Metern vor. Durch einen Arbeitsunfall wurde nun bemerkt, dass das Wasser, mit dem der Schacht sich immer wieder füllte, salzhaltig und der Wasserpegel von den Gezeiten abhängig war. Dies wurde zum Anlass genommen, den Strand zu untersuchen, wobei man über einer Steinschicht eine Lage von Kokosfasern fand und feststellte, dass dieser Strandabschnitt von Menschenhand angelegt worden sein musste, inklusive eines aufgedeckten Netzwerkes von Kanälen. Man nahm an, dass eine Beschädigung des hierzu gehörenden Hauptkanals zum Wassereinfluss im ausgehobenen Schacht geführt hatte. Ein durch die abgedichteten Holzlagen des Schachtes erreichter Verschluss sollten dieser Theorie zufolge den vermeintlichen Schatz vor Wassereinbruch schützen. Weitere Untersuchungen mittels einer Trockenlegung des Gebiets durch einen zeitweiligen Damm und durch Untertunnelung missglückten und finanzielle Probleme verursachten die Wiedereinstellung der Ausgrabungsarbeiten der Truro Company.
In der Folgezeit wurden verschiedene weitere Versuche unternommen, das Geheimnis des Schachts zu lüften. Während der Arbeiten der Oak Island Association 1861-1864 war wegen einer Explosion das erste Todesopfer zu beklagen. Ab 1897 gelang es Frederick Blair, bis in eine Tiefe von 52 Metern vorzustoßen. Dabei stieß er unter anderem auf Eisen, auf eine zementähnliche Masse sowie auf ein Stück angeblicher Ziegenhaut, auf dem die Buchstaben V oder V und W zu sehen gewesen sein sollen. Dieses Hautstück ist heute verschollen. Als erfolglos bleibende Schatzsucher des 20. Jahrhunderts sind Mel Chappell, Gilbert Hedden, Edwin Hamilton und der ehemalige Artist Robert Restall und seine Familie, sowie Robert Dunfield, ein Geologe, und die Triton-Allianz des Dan Blankenship zu nennen. Blankenship gelang eine Bohrung bis in 60 Meter Tiefe, bei der eine Höhle im Gestein entdeckt wurde. Dabei ans Licht gefördertes Holz wurde auf 1575 datiert. Seit 1978 blockiert ein abgebrochener Bohrer, der sich verkeilt hat, den mittlerweile stark ausgebauten Schacht. Mit Blankenship konkurrierende Theorien des Fred Nolan, der die Lösung des Rätsels in auffälligen monolithischen Steinkonstruktionen suchte, führten in den 1980er Jahren zu einem juristischen Streit über das Wegerecht zur Insel.
Der Schatz
Nach einem in die Geschichte als Big Dig (große Grabung) eingegangenen aber aus finanziellen Gründen gescheiterten Grabungsvorhaben umfangreicher Art und auch nach noch fortzusetzenden Forschungen des Bedford Institute of Oceanography bleibt weiterhin unklar, wozu der Schacht ehemals angelegt worden war. Dabei herrscht kein Mangel an Theorien, die von einigermaßen plausibel bis hin zu abenteuerlich reichen. Argumentierungen für eine der Theorien erweisen sich als schwierig, weil wichtige Beweisstücke nicht mehr verfügbar sind und weil das ursprüngliche Gelände durch die in den vergangenen zwei Jahrhunderten vorgenommenen Arbeiten stark verändert wurde. Zu den erwogenen Identifizierungen des vermeintlichen Schatzes gehört der Schatz des englischen Weltumseglers und Piraten Francis Drake (um 1540-1596). Andere vermuten in ihm Dokumente des englischen Philosophen und Gelehrten Francis Bacon (1561-1621). Sie sollen Aufschluss darüber geben, dass Bacon der Verfasser der Werke ist, die unter William Shakespeares Namen bekannt wurden. Einige vermuten, die Tempelritter hätten ihre Schätze noch vor Kolumbus über Schottland nach Nordamerika gebracht, gestützt durch den Umstand, dass mehrere Schiffe der Templer 1314 aus La Rochelle entkamen und anschließend nicht mehr gesehen wurden. Auch die Schätze der Inkastadt Tumbes wurden berücksichtigt, sowie der Schatz des Captain William Kidd (1645-1701), der immerhin auch in Nova Scotia auf Raubzug ging.
Was von seinem Schatz auf Gardiners Island vor Long Island gefunden wurde, soll nur einen Teil seiner Beute darstellen. Weitere Hypothesen widmen sich der Kriegskasse einer britischen Festung in Halifax und dem Vermögen der durch die Engländer belagerten französischen Stadt Louisburg, beide in Nova Scotia. Zum Rätsel um die Insel hat sich ein vermeintlicher Fluch von Oak Island gefügt, der besagt, dass sieben Menschen ihr Leben lassen müssten, bis das Geheimnis gelüftet wird. Gesichert ist lediglich, dass bei den Bemühungen um des Rätsels Lösung bisher sechs Menschen getötet wurden.