Uwe Barschel
Auch dem politisch weniger Interessierten ist der Name Uwe Barschel sicherlich ein Begriff, allerdings meist leider weniger wegen seiner Verdienste und seiner steilen Karriere als CDU-Spitzenpolitiker, als wegen der Aufsehen erregenden Barschel-Affäre und der bis heute ungeklärten Umstände seines Todes am 11. Oktober 1987. Doch auch der Mensch Uwe Barschel, sein Leben und sein Wirken verdienen Beachtung.
Das Leben vor der Politik
Uwe Barschel wurde am 13. Mai 1944 in Glienicke/Nordbahn geboren. Sein Vater Heinrich gilt seit dem 1. April 1945 als verschollen, es wird angenommen, dass er im Zuge der letzten Kämpfe um die Hauptstadt ums Leben kam. Die Mutter verließ die kleine Gemeinde in Brandenburg am Nordrand Berlins und fand zunächst mit ihren Kindern in einer Barackenanlage für Flüchtlinge Zuflucht. In Börnsen, in der Nähe von Geesthacht, rund 30 Kilometer südöstlich von Hamburg, wuchs Uwe Barschel in der Obhut der Großeltern auf, da seine Mutter als Näherin allein für den Unterhalt der Familie sorgen musste. Der von den Lehrern als ruhig und auffällig ernst beschriebene Schüler des Städtischen Gymnasiums in Geesthacht, heute Otto-Hahn-Gymnasium, galt bei seinen Mitschülern als karrierebewusst und sehr ehrgeizig. Er war offenbar schon früh politisch interessiert, denn er lud bereits als Schüler der 13 a im Jahre 1963 in seiner Funktion als Schülersprecher den Großadmiral Karl Dönitz zu einer „Geschichtsfragestunde“ ein.
Der letzte amtierende Reichspräsident und damit Nachfolger Hitlers nutzte die Gelegenheit, seine positiven Anschauungen über den Nationalsozialismus auszubreiten. Dass keine kritische Auseinandersetzung mit den in dieser Rede getroffenen militaristischen bis faschistischen Feststellungen erfolgte, führte zum politischen Skandal, dem ersten, aber nicht letzten, in den Uwe Barschel verwickelt werden sollte. Nach dem Abitur begann er 1964 unverzüglich ein Studium an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel mit den Studiengängen Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Pädagogik und Politikwissenschaft. Er legte 1968 das erste und 1971 das zweite Staatsexamen ab und beendete das Jurastudium als Volljurist. Promotionen zum Dr. phil. und zum Dr. jur. folgten seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Kieler Pädagogischen Hochschule in der Zeit zwischen 1969 und 1970. Er wurde 1971 als Rechtsanwalt zugelassen und nahm im gleichen Jahr eine Stelle als Gerichtsassessor an, später arbeitete er als Notar und Rechtsanwalt und trat 1976 in die Sozietät von Hans-Michael Moll in Kiel ein. Uwe Barschel war zu diesem Zeitpunkt bereits langjähriges Mitglied der Jungen Union und der CDU und machte auch innerhalb der Partei rasch Karriere. Bei einer Wahlveranstaltung lernte er Ende 1972 Freya von Bismarck kennen, eine entfernte Nachfahrin des legendären Reichskanzlers.
Am 3. Juli 1973 fand die Hochzeit statt, der glücklichen Ehe entstammen vier Kinder. Die Familie lebte in einem Landhaus, in der Nähe eines idyllischen Waldsees bei Mölln gelegen, das mit säulengesäumter Freitreppe, Sprossenfenstern und Holzgiebeln hochherrschaftliche Gediegenheit ausstrahlte. Der absolut passende Rahmen für den politischen Hoffnungsträger. Uwe Barschel engagierte sich auch in sozialer Hinsicht und gründete außerdem gemeinsam mit dem Musiker Justus Frantz das Schleswig-Holstein Musik Festival, bei dessen Gründungsveranstaltung er mitwirkte.
Eine steile politische Karriere im Galopp – und dann kam der Sturz
Schon relativ früh begann sein politischer Aufstieg in Schleswig-Holstein. In den Jahren 1967 bis 1971 war Uwe Barschel Landesvorsitzender der Jungen Union. Schon 1969 avancierte er dort zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU. Im Herzogtum Lauenburg war er von 1973 bis 1981 als Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes tätig. Seine Karriere ist beispiellos und zeugt von Zielstrebigkeit und Talent. Bereits im Alter von 25 Jahren bekleidete er das Amt des stellvertretenden CDU Landesvorsitzenden, mit 28 war er Landtagsabgeordneter, mit 30 Fraktionsvorsitzender, mit 38 Ministerpräsident. Und mit 43 war er tot. Zusammengebrochen unter dem enormen Druck, ein Selbstmörder? Oder ein Mordopfer, ein Verfolgter? Die Umstände des Todes von Uwe Barschel sind bis heute ungeklärt. Zunächst ging es um schmutzige Tricks im Wahlkampf, bekannt geworden in Anlehnung an die Watergate-Affäre in den USA auch unter dem (Spitz-)Namen Waterkantgate-Affäre. Der Spitzenkandidat des politischen Gegners, Björn Engholm, SPD, sollte gezielt in Misskredit gebracht werden. Der Drahtzieher hinter diversen Manipulationen und absolut fragwürdigen Machenschaften war der Journalist Reiner Pfeiffer, der Ende des Jahres 1986 als Medienreferent durch den Axel-Springer-Verlag (u.a. „Bild-Zeitung“) an die Schleswig-Holsteinische Landesregierung in Kiel vermittelt wurde. Es bestanden Verbindungen zu dem Hochstapler Gerd Postel, die Pfeiffer durchaus in die Nähe krimineller Kreise rücken.
Die unlauteren Machenschaften im Wahlkampf des Jahres 1987, die schließlich als Barschel-Affäre in die Geschichte eingingen, soll Pfeiffer mit Wissen und Billigung Uwe Barschels initiiert haben. Dieser distanziert sich von den Vorgängen, tritt am 18. September 1987 mit einer Aufsehen erregenden Erklärung an die Öffentlichkeit und beteuert mit seinem Ehrenwort seine Unschuld in der Angelegenheit. Es wurden mehrere Untersuchungsausschüsse gebildet, einer direkt nach der Barschel-Affäre, die unmittelbar zum Rücktritt Uwe Barschels vom Amt des Ministerpräsidenten Schleswig-Holstein am 2. Oktober 1987 führte. Doch im Nachgang zur spektakulären Affäre des Jahres 1987 geht der Polit-Krimi noch weiter und gipfelt in der „Schubladen-Affäre“. Im Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen musste nun im Jahre 1993 auch der neue SPD-Hoffnungsträger der politischen Landschaft Deutschlands, Björn Engholm, der sogar als Kanzlerkandidat gehandelt wurde, seinen Rücktritt einreichen. Es wurde ihm zweifelsfrei durch einen weiteren Untersuchungsausschuss nachgewiesen, dass er in die Barschel-Affäre verstrickt war. Strafrechtlich wurde er nicht belangt, da die Verjährung bereits eingetreten war.
Der Tod im Hotel Beau Rivage – Bilder, die um die Welt gingen
Wenige Wochen nach der öffentlichen Beteuerung seiner Unschuld wurde Uwe Barschel vollständig bekleidet tot in der Badewanne seines Zimmers (317) im Hotel Beau Rivage in Genf gefunden – jenem Hotel übrigens, in dem fast 100 Jahre zuvor bereits die Kaiserin Elisabeth von Österreich ihrer tödlichen Verletzung erlegen war, die ihr bei einem Attentat auf dem Weg vom Hotel zur Schiffsanlegestelle am Genfer See zugefügt worden war. Während es sich im kaiserlichen Fall eindeutig um ein Attentat, um einen kaltblütigen Mord handelte, entstanden um den Tod Uwe Barschels die wildesten Gerüchte.
Die Tatsache, dass die Umstände seines Todes auch rund 25 Jahre später nicht restlos und zweifelsfrei geklärt werden konnten, bietet Spekulationen breiten Raum. Zunächst ging man von einem Selbstmord durch einen Giftcocktail aus. Doch schon bald wurden Stimmen laut, die diese These in Zweifel zogen und scheinbar stichhaltige Argumente für eine Mordtheorie präsentierten. Es gibt sehr viele Ungereimtheiten und dubiose Verknüpfungen. Auch die Tatsache, dass Uwe Barschel als einziger den Flugzeugabsturz seiner Cessna am 31. Mai 1987 überlebte (die beiden Piloten und der Leibwächter kommen bei dem Unglück ums Leben), gab der Mordtheorie Nahrung. Sollte dies bereits der erste Attentatsversuch gewesen sein? Verbindungen zu illegalen Waffengeschäften, zum CIA, zum Mossad, zur Mafia und zur Stasi werden spekuliert. Übrig bleibt ein viel zu früh verstorbener ehrgeiziger, begabter Mann, der mitten in einer hoffnungsvollen Karriere gewaltsam ausgebremst wurde – von wem und warum auch immer. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit, wird man wohl nie erfahren. Die mysteriösen Ereignisse um den rätselhaften Tod im Beau Rivage bewegten die Gemüter und wurden auch in prominenten Kreisen diskutiert.
Lilo Pulver, die bekannte und beliebte Schauspielerin, drückt auf Seite 373 in ihrem Buch “ ….wenn man trotzdem lacht“, ihrer im Müller-Langen-Verlag erschienenen Biographie, ihre Gedanken zu den Vorfällen wie folgt aus: “ ….Und über den Brief an Frau Barschel, den ich gestern geschrieben und nicht abgeschickt hatte. Darin stand, dass Uwe Barschel nach einem Flugzeugabsturz Gedächtnispannen gehabt haben musste. Dass ich nicht an die Selbstmordtheorie glaube. Und das sein Gesicht nicht das eines Lügners war, sondern das eines Gejagten.“