Voraussetzung für Globalisierung
Globalisierung ist an sich kein einheitlicher Begriff – in den meisten Fällen und auch im geläufigen Sprachgebrauch wird darunter aber ein „Zusammenwachsen der Welt“ verstanden. Das kann auf mehreren Ebenen geschehen – auf der politischen, auf der wirtschaftlichen aber auch auf der kulturellen und der persönlichen Ebene. Jeder einzelne Bereich kennt dabei bestimmte Voraussetzungen, die das Zunehmen einer Globalisierung fördern – oder eben hemmen. Um sich über diese Voraussetzungen klar zu werden, muss man aber erst einmal die einzelnen Bereiche abstecken, und sie vor allem getrennt voneinander betrachten. Globalisierung ist nämlich kein homogenes, alle Bereiche in gleichen Maßen betreffendes Phänomen – eher im Gegenteil: die Globalisierung in den einzelnen Bereichen ist so gut wie nie zu einem bestimmten Zeitpunkt überall auf dem gleichen Niveau. Das hängt damit zusammen, dass in unterschiedlichen Bereichen, wie etwa Kultur und Politik auch ganz unterschiedliche Entwicklungswege und -züge existieren.
Die politische Dimension von „Globalisation“
Wenn die Welt politisch zusammenwächst, könnte man im Extremfall darunter verstehen, dass Einzelstaaten komplett aufhören würden zu existieren. Das ist aber natürlich eine sehr weit hergeholte Fiktion, die so sicherlich nie Realität wird. Was aber sehr wohl eine auch machbare Realität darstellt, ist, dass Einzelstaaten und Staatengebilde, wie beispielsweise die EU und die USA im Inneren eine einheitliche Politik für alle Mitgliedsstaaten umsetzen und sich auch im Äußeren annähern und ihre Gesetze, die Gesetzgebung und die politischen Instrumente immer weiter harmonisieren, bis sie nur noch wenige Unterschiede aufweisen. Das ist allerdings ein Prozess, dessen Fortschritt sicherlich in Generationen gemessen werden kann. Politische Veränderungen, vor allem wenn sie auf Zusammenschlüsse und Vereinheitlichungen hinauslaufen, sind immer enorm langsam. Der umgekehrte Fall, die Separation von Einzelstaaten, oder das Zerfallen von nicht mehr lebensfähigen Staatsgebilden, wie beispielsweise der ehemaligen UDSSR, nehmen dagegen oft nur wenige Jahre bis Jahrzehnte in Anspruch.
Die Voraussetzungen für die politische Globalisierung
Die wichtigste der Voraussetzungen dafür ist ganz sicherlich Zeit – und das stetige Bemühen, über Generationen hinweg, Einigung und Einheitlichkeit zu erreichen. Ein gutes Beispiel ist der lange Weg von einer europäischen Freihandelszone bis zur heutigen EU. Eine Annäherung der USA und der europäischen Staaten in politischer Hinsicht findet ebenfalls in den letzten Jahrzehnten langsam und fast unmerklich statt – hier ist vor allem die Wirtschaft der Motor, der Vereinheitlichungen herbeiführt, die dann auf lange Sicht in politische oder gesetzgeberische Entscheidungen umgesetzt werden. Mit den Grossnationen der östlichen oder arabischen – oder auch der afrikanischen Welt gibt es hingegen noch keine fühlbare politische Annäherung – und das wird wohl lange Zeit noch so bleiben. Im Zusammenschluss der westlichen Industrienationen hat die politische Globalisierung erst einmal ihr Ziel erreicht. Eine ähnliche Harmonisierung mit den übrigen Staaten der Welt würde zunächst einmal eine tiefgreifende kulturelle Annäherung voraussetzen.
Die Globalisierung der Wirtschaft
Die Globalisierung der Wirtschaft ist heute bereits eine Realität – mit der Globalisierung der Märkte und vor allem Finanzmärkte, globalem Handel und der weitgehenden Beseitigung der Hindernisse im globalen Waren- und Wirtschaftsverkehr ist im Bereich der Wirtschaft Globalisierung bereits eine feste und unverrückbare Tatsache.
Voraussetzungen für eine noch weiter gehende Globalisierung der Wirtschaft
Viele Länder – vor allem in der Dritten Welt – nehmen heute aber nicht wirklich gleichberechtigt an der globalen Wirtschaft teil. Die Frage, die sich dabei allerdings stellt, ist, ob unsere Weltwirtschaft, die aus lauter gleichberechtigten Handelspartnern überall in der Welt, mit gleichem Lebensstandard und gleichem Konsum, überhaupt lebensfähig wäre. Unser Weltwirtschaftssystem scheint zumindest vordergründig nur dann zu funktionieren, wenn irgendwo vergleichsweise günstiger produziert und mit den produzierten Waren dann in den reicheren Ländern Handel getrieben werden kann. Liegen allerdings die Produktionspreise überall auf der Welt auf gleichem Niveau, muss man sich fragen, woher Wachstum kommen soll – und wie man die Stagnation des gesamten Systems verhindern kann. Hier sind also – vor der Umsetzung – wohl viele tiefgreifende Überlegungen nötig, wie ein tatsächlich funktionierendes Weltwirtschaftssystem mit gleichberechtigten Partnern auf dem gleichen Niveau des Lebensstandards funktionieren könnte.
Die Globalisierung der Kultur
Was viele Globalisierungsgegner als Hauptkritikpunkt anführen, ist die zunehmende Vereinheitlichung der Kultur in den westlichen Industrienationen, die zu Lasten der nationalen Identität gehen – und, wenn man den Unkenrufen traut, bis zur völligen Aufgabe der nationalen Identität erst in Europa und dann in der gesamten Welt führen würden. Der Verlust wichtiger traditioneller kultureller Eigenheiten würde dann, so die Globalisierungsgegner, danach zum Verlust der Identität des einzelnen führen, zu einer Wurzellosigkeit in allen Gesellschaften der Welt, die sich dann nicht einfach als „Weltbürger“ fühlen können – weil die Welt für diese Vorstellung einfach zu groß ist. Diese Frage kann man fürs erste einmal sehen, wie man will – ob positiv oder negativ ist allenfalls eine persönliche Einschätzung, aber keineswegs ein auch nur irgendwie beweisbares Faktum.
Einer tatsächlichen Vereinheitlichung der Kultur stehen auch die meisten soziologischen Theorien entgegen. Das möglicherweise ganz passende Beispiel dafür, wie eine einheitliche Kultur maximal aussehen kann, ist das antike Römische Reich. Kulturelle Eigenheiten der unterworfenen Völker wurden niemals unterdrückt oder planiert – und sie hörten nie vollständig auf zu existieren. Von einem Daker oder Rätier konnte man den Römer bis zuletzt deutlich unterscheiden. Die andere Sichtweise ist dabei aber, dass es zwar zu keiner Planierung, wohl aber zu einem langsamen Auflösen der nationalen Kulturen und zur Verschmelzung mit der traditionellen römischen Kultur gekommen ist – und das viel nationales damit letztlich praktisch unterging, wie etwa die keltische Sprache im Süden Britanniens.
Voraussetzung für eine (einheitliche) globale Kultur
Die westlichen Industrienationen transportieren heute Marken, Lebensstile, Waren und Kultur praktisch bis an den letzten Winkel der Welt. All das gilt auch als erstrebenswert, vor allem und umso mehr für die ärmeren Länder. Man kann sagen, dass die „Leitkultur“ der westlichen Industriestaaten ebenfalls ein Exportartikel ist – der weltweit sehr gerne angenommen wird. Umgekehrt befruchten aber auch unterschiedliche Kulturen die Leitkultur selbst – man denke beispielsweise nur einmal an die chinesische Medizin – und verändern damit, wenn auch geringfügig, das Wesen der Leitkultur. Es kommt zu einem Verschmelzen, aber zu keiner wirklichen Vereinheitlichung, weil das auch auf lange Sicht tatsächlich unmöglich ist. Das zeigt sehr plastisch das Beispiel des leider schon untergegangenen römischen Reiches. Voraussetzungen für diesen von selbst laufenden Prozess gibt es keine – lediglich vielleicht, dass die Leitkultur auch weiterhin hohes Ansehen genießt – durch den Reichtum der westlichen Nationen und die große Zahl von Menschen, die dieser Kultur anhängen, ist dies aber in jedem Fall gesichert. Einen wesentlichen Faktor für einen erfolgreichen Kulturtransport gibt es jedoch.
Die Globalisierung von Sprache und Kommunikation
Ein Kulturtransport bedingt immer, dass auch globale Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, zu denen jeder auf der Welt gleichberechtigt Zugang hat, und eine „globale Sprache“ – eine Verständigungssprache, die überhaupt globale Kommunikation erst erlaubt. Diese globale Sprache ist heute sicherlich Englisch. Von den Unter-Zwanzigjährigen gibt es heute kaum mehr einen, der nicht perfekt Englisch sprechen würde. Und auch im Internet, das eben dieses für alle frei verfügbare globale Kommunikationsmittel bildet, das auch für den Bereich der Wirtschaft heute unverzichtbar ist, ist die – von den meisten gut verstandene – Standardsprache definitiv Englisch. Die Grundlage für einen Export der Leitkultur ist damit also gelegt.
Die Globalisierung für den Einzelnen
Im Bereich des Einzelnen bedeutet Globalisierung vor allem Beziehungen und Freundschaften, die über das eigene geografische Umfeld hinausgehen, die Möglichkeit, an einem beliebigen internationalen Ort seinen Lebensmittelpunkt zu errichten und berufliche Chancen zu finden. Die Mobilität im Sinne von Ortsungebundenheit hat allerdings mit Globalisierung nichts zu tun – sie ist ein eigenes Phänomen. Globalisierung bedeutet lediglich, dass die Möglichkeiten für internationale Freundschaften und Lebensmittelpunkte bestehen.
Voraussetzungen, die die Globalisierung für den Einzelnen noch fördern können
Im Wesentlichen sind das politische Voraussetzungen, die von den noch existierenden Einzelstaaten – möglichst harmonisiert – geschaffen werden müssen. Auch dieser Prozess lässt sich also nicht künstlich beschleunigen – er ist eine Folge der politischen Gegebenheiten, und vollständig davon abhängig. Die wichtigen Grundlagen – die Möglichkeit global sehr einfach und in Echtzeit zu kommunizieren und mit Englisch eine Quasi-Weltsprache zu haben, sind bereits gegeben. Zudem dient die allseits anerkannte westliche Leitkultur praktisch als kultureller Kompromiss, der von allen akzeptiert wird. Das weitere Fortschreiten dieses Prozesses hängt, wie gesagt, dann von den sich entwickelnden Gegebenheiten ab.
Ausblick: Welchen Erfolg kann die Globalisierung unter optimalen Voraussetzungen erreichen?
Die Frage ist naturgemäß nur spekulativ zu beantworten – eine völlige „Gleichheit“ der Welt und eine einheitliche Weltregierung gehören aber sicherlich ins Reich der Fiktionen. Die größtmögliche Näherung an das, was wohl maximal erreichbar sein wird, bietet das schon vorher erwähnte antike Römische Reich. Auch das zerbrach zwar im Lauf der Geschichte – allerdings kann man dieses Zerbrechen sehr deutlich auf fehlende und äußerst unzulängliche Kommunikationsstrukturen innerhalb des riesigen Reiches zurückführen, und auch die sozialen, wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen waren im Römischen Reich ebenfalls sehr unterschiedlich im Vergleich zu heute. Alle Voraussetzungen aber, die damals fehlten, sind in der heutigen Welt gegeben – und das Ergebnis könnte damit, wenigstens für ein paar Jahrhunderte, durchaus dem Beispiel des ehemaligen Römischen Weltreiches durchaus nicht unähnlich sehen. Abgesehen einmal von den Haken, die die Geschichte in ihrem Verlauf öfter einmal schlägt, um am Ende zu ganz anderen als den gedachten Lösungen zu kommen.