Geschichte der Industrialisierung
Die industrielle Revolution lässt sich global nicht auf ein bestimmtes Datum festsetzen, da sie in verschiedenen Ländern und auch Kontinenten zu unterschiedlichen Zeiten begann und das zumeist eher schleichend als abrupt. Als Mutterland der Industrialisierung wird im allgemeinen England angesehen, weil Großbritannien das erste Land war, das den Sprung von einer agrargeprägten Gesellschaft zu einer Industrienation schaffte. Sie setzte in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts ein und griff nach und nach auf den europäischen Kontinent über. Die Industrialisierung verstärkte sich im 19. Jahrhundert in England zunehmend und griff nach Westeuropa über und von dort gelangte sie auf den nordamerikanischen Kontinent. In Japan setzte sie erst im späten 19.Jahrhundert ein und erreichte von dort Asien. Auch weitere Teile von Europa wurden erst am Ende des 19. Jahrhunderts in die Industrialisierung einbezogen.
Zeitraum
Manche Historiker benennen den Zeitraum um 1900 als eine zweite industrielle Revolution wie auch Einführung von Computertechnik in die Arbeitswelt als dritte industrielle Revolution um das Jahr 1970 herum bezeichnet wird. Die industrielle Revolution wird von vielen Historikern auf den Zeitraum zwischen 1750 und 1830 beziffert, während die restliche Zeit als Industrialisierung betitelt wird.
Um die Industrialisierung überhaupt möglich zu machen, musste sich Großbritannien von einer agrar basierten Wirtschaft zu einer präindustriellen Gesellschaft wandeln. Dies geschah in Großbritannien bereits zum Ende des Mittelalters, während anderen Nationen noch weit entfernt von diesem Schritt waren. Wichtig für die Industrialisierung war auch die Einführung des Patentrechtes im Jahr 1624, wodurch den Erfindern finanzielle Vorteile garantiert wurden.
Zwar wurden viele für die Industrialisierung wichtige Erfindungen in Frankreich gemacht, jedoch stellten die französischen Ingenieure ihre Erfindungen hauptsächlich anderen Gelehrten vor, statt sie praktisch zu nutzen. Wiederum wurden Erfindungen in England Geschäftsleuten zugeführt, um damit Profite zu erwirtschaften. Somit kamen alle Neuerungen auch sofort der industriellen Revolution zugute, die sich dadurch rasch entwickelte.
Neue Energieressourcen
Obgleich die Erfindung der Dampfmaschine für viele der Auslöser der industriellen Revolution ist, so gibt es doch weitaus mehr wichtige Daten, die für die Industrialisierung unabdingbar waren. So verdoppelte sich die Anzahl der Bevölkerung im 18. Jahrhundert und zwischen 1700 und 1850 verdoppelte sich der Pferdebestand in Großbritannien. Das Pferd war für das Transportwesen auf der Straße und auf dem Kanalnetz unersetzlich.
Ein Grundpfeiler der industriellen Revolution war auch die Weiterentwicklung der Textilindustrie im 16. Jahrhundert. Als die innovative Textilindustrie Ende des 18.Jahrhunderts als neuen Rohstoff Baumwolle aus den Kolonien zur Verarbeitung erhielt, führte dies unweigerlich zu neuen Erfindungen und zur Industrialisierung des ganzen Landes. Die britische Baumwollindustrie erreichte in den Jahren 1780 bis 1790 jährliche Wachstumsraten von 12 Prozent und mehr. Das britische Außenhandelsvolumen erreichte in den Jahren nach 1750 dramatische Steigerungen, wobei hier wieder die Baumwolle sowohl im Import als auch im Export eine herausragende Stellung einnahm. Baumwolle machte am Anfang des 19. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der britischen Exporte aus. Gleichzeitig machte aber der Import von Baumwolle nur ein Fünftel des Gesamtvolumens aus.
Rolle der neuen Erfindungen
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden vermehrt Erfindungen gemacht, die die Industrialisierung vorantrieben. Der Schotte James Watt baute um 1765 die erste leistungsfähige Dampfmaschine, die zuverlässig Energie für Maschinen wie dem mechanischen Webstuhl (1785) und der ‚Spinning Jenny'(1764) lieferte.
Als Folge davon stieg jedoch die Nachfrage nach Brennstoffen wie Kohle. Dank der großen Kohlevorkommen in England konnte dieser Bedarf kostengünstig gedeckt werden. Hierzu trug wiederum die Erfindung des Dampfschiffes 1807 bei. Die Dampfschifffahrt spielte bei der Industrialisierung eine entscheidende Rolle, da sie schneller als Segelschiffe waren. In England fand ein großer Teil des Transportverkehrs auf dem Wasserwege statt, entweder auf Kanälen oder im Rahmen der Küstenschifffahrt. Der Transport per Dampfschiff war kostengünstiger als der Transport auf dem Straßennetz.
Die Dampflokomotive
Das marode Straßennetz in England verhalf der Dampflokomotive zu rasch wachsender Bedeutung. 1830 wurde die Eisenbahnlinie Liverpool-Manchester eröffnet. Ohne die Weiterentwicklungen im Transportwesen wären die Entwicklungen in den aufkommenden Fabriken nur begrenzt zum Tragen gekommen. Mit zunehmender Mechanisierung der Produktion sowie dem Bau von Fabriken wurde ein neuer Typ von Arbeiter gebraucht. Die im Allgemeinen aus dem landwirtschaftlichen Bereichen stammenden Arbeiter mussten erst eine an die Bedürfnisse des Fabrikbesitzers angepasste Arbeitsmoral erlernen, um überhaupt für einen Arbeitstag in der Fabrik tauglich zu sein.
Im 18. Jahrhundert galt es bereits als Luxus, wenn jemand zwei Kleidergarnituren besaß. Mit der zunehmenden Industrialisierung sank der Preis für Bekleidung und somit wurde ein wachsender Markt geschaffen, weil die Menschen nach mehr Kleidung verlangten. Um das Jahr 1760 wurden in englischen Textilfabriken 1.300 Tonnen Baumwolle verarbeitet. Hundert Jahre später verarbeiteten englische Textilfabriken rund 190.000 Tonnen Baumwolle. Die Baumwolle wurde aus den zahlreichen Kolonien importiert, im Land verarbeitet und die fertigen Produkte wurden sowohl im Inland wie im Ausland vertrieben.
Die Dampfmaschine wurde in mehreren Stufen entwickelt, wobei die erste wirklich einsetzbare Dampfmaschine von James Watt im Jahr 1770 stammte. Allerdings verhinderte er nach der Verlängerung seines Patentes auf 30 Jahre, dass die Dampfmaschine von anderen Ingenieuren weiterentwickelt werden konnte. Dies behinderte die Industrialisierung erheblich bis zum Jahr 1800. Der Kohleabbau begann in England im 16. Jahrhundert und wurde in Handarbeit betrieben für den Markt in der Umgebung. Als um 1800 durch die knapp gewordenen Wälder teurer wurde, begann man den Abbau der Kohle zu industrialisieren. Doch zunächst ging das nur im Tagebau, da es noch keine leistungsfähigen Pumpen gab, um das Grundwasser aus Stollen zu entfernen. Erst mit der Erfindung der Dampfmaschine konnte dieses Problem gelöst und Kohle in großen Mengen abgebaut werden, wobei die Dampfmaschinen sowohl das Schmutzwasser abpumpen musste, wie auch die Materialien und Arbeiter in die Schächte befördern.
Die Ausbeutung des Arbeiterproletariats
Da Kohle am Anfang des 19. Jahrhunderts günstig und in großen Mengen zu haben war, konnte nun auch die Eisenindustrie günstigeres und hochwertigeres Eisen produzieren. Um die Gewinne der Fabrikbesitzer weiter zu maximieren, zahlten sie ihren Angestellten möglichst geringe Löhne, was zu einer gewollten Verelendung des Arbeiterproletariats führte. Es wurden sowohl Männer wie Frauen und auch Kinder beschäftigt, die sich von den Löhnen kaum ernähren konnten. Darum kam es am Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts immer wieder zu harten Auseinandersetzungen zwischen Fabrikanten und ihren Arbeitern. Auch in der Textilindustrie wurde durch die zunehmende Mechanisierung ein großer Anteil der Arbeiter plötzlich vor die Tür gesetzt oder mussten für noch geringere Löhne ihre Arbeit leisten.
Zudem erhoben sich die Heimarbeiter, die zum Beispiel als Weber oder Spinner noch zu Hause arbeiteten, weil sie nicht mehr mit den Preisen der industriell gefertigten Stoffe konkurrieren konnten. Die hungernden Heimarbeiter wurden zu Maschinenstürmern. 1819 versammelten sich um die 100.000 Arbeiter zu friedlichen Protesten in Manchester, die aber zu Toten führte, als eine Bürgergarde die Demonstranten attackierte. Zwar griff aufgrund der Unruhen die Politik ein, jedoch gingen ihre Gesetze zum Schutz von Kindern und Frauen nicht weit genug.
Erst 1847 erzielten die Arbeiter mit einem Gesetz, das ihre Arbeit auf 10 Stunden pro Tag beschränkte, einen Teilerfolg. Im Zeitraum von 1819-1851 verdoppelten sich die Löhne der Arbeiter und sie brachten es zu einem bescheidenen Wohlstand. Mit dem Aufkommen der Gewerkschaften und der Lehren von Marx und Engels konnten die Arbeitnehmer im Laufe der Zeit ihre Position stärken und mehr Rechte durchsetzen. Der aufkommende Sozialismus war vielen Politikern und Wirtschaftsführern ein Dorn im Auge und wurde nachhaltig mit vielen Mitteln bekämpft.