Zweite Industrielle Revolution

Von England ausgehend, wurde Ende des 18. Jahrhunderts der Übergang von der handwerklichen Einzelfertigung zu industriellen Produktionsmethoden, die eine maschinelle Herstellung von Gütern ermöglichten, vollzogen. Die Nutzung der Dampfkraft als Antriebsenergie revolutionierte die damalige Technik und setzte zugleich den Schlusspunkt unter die erste Industrielle Revolution. Nach allgemeiner Übereinstimmung fand einige Zeit danach eine weitere industrielle Revolution statt, die ebenfalls bahnbrechende Neuerungen auf technischem und naturwissenschaftlichem Gebiet mit sich brachte, über deren zeitliche Einordnung jedoch unterschiedliche Ansichten existieren.

Chronologie der zweiten industriellen Revolution

Nach Darstellung deutscher und französischer Quellen fand die sogenannte zweite Revolution gegen Ende des 19. Jahrhunderts statt und brachte den Aufstieg neuer Industriesektoren wie Chemieindustrie und Elektrotechnik mit sich. Deutschland stieg vor allem aufgrund der Einführung weitgehend automatisierter Fertigungstechniken (Fließbandfertigung) zu einer weltweit bedeutenden Industrienation auf.

Der Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 erforderte jedoch eine Umstellung der industriellen Wertschöpfung auf militärische Inhalte, wodurch die Phase der deutschen Hochindustrialisierung ihren Abschluss fand. Da während des Ersten Weltkrieges Erfindungen vorwiegend militärischen Zwecken dienen sollten, und darüber hinaus der Wiederaufbau nach dem Krieg einige Zeit in Anspruch nahm, wurde die Entwicklung ziviler wirtschaftlicher Innovationen stark gebremst.

Massenproduktion

Im Vergleich dazu wurden im angloamerikanischen Raum, wo der Erste Weltkrieg bei Weitem nicht jene Auswirkungen hatte, wie in Kontinentaleuropa, zu diesem Zeitpunkt die Weichen für ein neues industrielles Zeitalter gestellt, welches in der Massenproduktion von gleichartigen Gütern (Serienfertigung) um 1920 ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Dies wird im angloamerikanischen Raum als Indikator einer zweiten Industriellen Revolution gesehen. Laut dieser Darstellung werden vor allem in den USA auch neue industrielle Organisationsformen als treibende Kräfte des wirtschaftlichen Aufschwunges und wesentliche Meilensteine der zweiten Industriellen Revolution namhaft gemacht.

Hier ist vor allem der Begriff des sogenannten Fordismus, der auf den US-amerikanischen Industriellen Henry Ford zurückgeht, zu nennen. Die Maxime Fords von Arbeit und Kapital hat nach Ansicht von zahlreichen Fachleuten die Grundlage für das Selbstverständnis einer auf wirtschaftlichen Profit ausgerichteten amerikanischen Leistungsgesellschaft geschaffen.

Darüber hinaus begründete der US-Amerikaner Frederick Winslow Taylor den nach ihm benannten Taylorismus. Dieses auch als Scientific Management bezeichnete Konzept sah im Wesentlichen eine detaillierte Planung, Dokumentation und Steuerung sämtlicher Arbeitsabläufe in einem Betrieb vor. Das zu Lebzeiten Taylors heftig umstrittene Konzept kann aus heutiger Sicht als einer der ersten Vorläufer des modernen Projektmanagements betrachtet werden.

Forschungs- und Entwicklungstätigkeit als Wirtschaftsmotor

Die rasch fortschreitende industrielle Entwicklung führte zu einer allmählichen Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und industrieller Produktion. Neben den Universitäten unterhielten nun auch größere Unternehmen eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, in denen gezielt angewandte Forschung betrieben wurde, um die Abhängigkeit der Unternehmen gegenüber externen Innovationsschüben zu verringern.

Dies führte zu den ersten Formen organisierter Teamarbeit und zu einer zunehmenden Bedeutung von wissenschaftlich-ökonomischem Forschungsmanagement. Textil- und Montanindustrie verloren rasch an Bedeutung, und die deutsche Wirtschaft übernahm eine generelle Führungsrolle in Europa. Musste während der Ersten industriellen Revolution noch technologisches Know-how aus England importiert werden, so schlüpfte Deutschland nun in die Rolle eines Technologieexporteurs.

Maschinenbau und optische Industrie

Neben Chemieindustrie und Elektrotechnik etablierten sich auch der Maschinenbau sowie die optische Industrie als führende Branchen, wogegen die pharmazeutische Industrie aufgrund umfangreicher eigener Forschungslabors als besonders innovationsintensiv galt. Auch zu universitären und privaten Forschungseinrichtungen hielt die Wirtschaft intensiven Kontakt, was unter anderem in der Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahr 1887 seinen Ausdruck fand. Im Bereich der chemischen Industrie sorgten synthetische Farbstoffe wie Anilin für ständig steigende Produktionszahlen.

Auf dem Sektor der Energieträger ereignete sich eine weitere fundamentale Neuorientierung. Neben der jahrzehntelangen, monopolartigen Stellung von Kohle als Energieträger gewann nun Erdöl als Rohstoff für die Treibstoffproduktion für Verbrennungsmotoren zunehmend an Bedeutung. Darüber hinaus verbesserte die Nutzung des elektrischen Stroms die Möglichkeiten der industriellen Fertigungstechnik neuerlich, durch den Einsatz des Telefons wurde auch die Kommunikation erleichtert.

Die Entwicklung des industriellen Fortschritts in den USA

Da aus Sicht der USA der Erste Weltkrieg 1914 – 1918 nicht jene elementaren Auswirkungen hatte, wie dies in Europa der Fall war, ist für amerikanische Forschungskreise jene Epoche durch die Einführung der Fließbandfertigung (Fordwerke, 1913) sowie den prägenden Einfluss von Taylorismus und Fordismus um 1920 als zweite industrielle Revolution in die Geschichte eingegangen.

Die Rationalisierung der Fertigungstechnik durch das Fließband wird hingegen von einigen deutschen Forschern bereits als die dritte Industrielle Revolution bezeichnet. Der Eisenbahnbau, sowie die Massenproduktion von Stahl setzte in den USA jedenfalls später als in Europa ein, während sich der Konsum von Gütern des täglichen Bedarfes durch breite Bevölkerungsschichten in den USA wesentlich früher entwickelte, als in den USA.

Abschließende Betrachtung

Der Begriff der zweiten industriellen Revolution wird sowohl hinsichtlich der chronologischen Einordnung als auch der für die technologische Entwicklung maßgeblichen Meilensteine unterschiedlich interpretiert. Wesentlicher Grund hierfür ist eine, durch unterschiedliche geschichtliche Entwicklung bedingte, divergente Perspektive der Alten und Neuen Welt.

Allgemeiner Konsens besteht jedoch hinsichtlich der Tatsache, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Schwerindustrie ihre Rolle als Wirtschaftsfaktor Nr.1 allmählich an die als „Neue Industrien“ bezeichneten Branchen Elektrotechnik, Chemisch-Pharmazeutische Industrie, optische Industrie, sowie Maschinen- und Fahrzeugbau abgeben musste, was mit einer zunehmenden Bedeutung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit einherging. In jedem Fall verdanken wir dieser Epoche wesentliche Grundlagen und Errungenschaften, ohne die unsere heutige moderne Wirtschaft nicht denkbar wäre.

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