München 1972
Die Olympischen Spiele von München im Jahr 1972 begannen wie alle anderen Spiele. Eine große Feier eröffnete am 26. August die Spiele mit dem Einlauf der Athleten und Funktionäre. Die Schwüre der Sportler und Schiedsrichter wurden gesprochen, anschließend erklärte der damalige Präsident des IOC, Avery Brundage die Spiele für eröffnet. Bis zum Morgen des 5. September waren die Spiele geprägt von Höchstleistungen der teilnehmenden Nationen, etliche Medaillen waren schon gewonnen worden und das Motto der „heiteren Spiele von München“ hatte sich bis dahin bewahrheitet. Doch dann änderte sich alles, als die palästinensischen Terroristen am frühen Morgen, um 4.53 Uhr, in die Quartiere der israelischen Mannschaft eindrangen. Bei diesem Überfall wurde ein Sportler sofort getötet, ein weiterer starb kurz darauf an seinen Verletzungen. Die Terroristen, die sich als Gruppe „Schwarzer September“ bezeichnete, in Anlehnung an den Aufstand jordanischer Rebellen im September 1970 ging bei ihrem Überfall mit äußerster Brutalität vor.
Damals waren die Fronten zwischen Israelis und Palästinensern derart verhärtet, dass Palästinenser nur mit speziellen Ausnahme Genehmigungen und nur nach schärfsten Kontrollen überhaupt Israel betreten durften. Die beiden Völker verachteten sich gegenseitig, weshalb die israelischen Geiseln mit keinerlei Gnade rechenden durften, denn sie waren in den Augen der Terroristen keine Menschen, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Der Überfall und die Geiselnahme dienten nur dazu, insgesamt 232 Palästinenser aus israelischer Haft zu befreien. Zusätzlich sollten ein japanischer Terrorist und zwei Mitglieder der RAF (Rote Armee Fraktion) befreit werden. Da die Geiselnahme durch die gefallenen Schüsse und die erfolgreiche Flucht einiger Sportler schnell bemerkt wurde, gerieten alle Beteiligten, Terroristen wie Behörden, in Zugzwang.
Gescheiterte Verhandlungen
Golda Meir, die bisher einzige Ministerpräsidentin Israels, war zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren im Amt. Kategorisch lehnte die Regierung unter ihrer Führung alle Zugeständnisse ab, zu denen auch die deutsche Regierung versuchte, sie zu bewegen. Auch die Drohung der Palästinenser, alle Geiseln zu töten, änderte nichts an der Meinung der Israelis. Sie waren überzeugt, dass die Terroristen die Geiseln ohnehin töten würden, ganz gleich, ob sie auf die Forderungen eingehen würden oder nicht. Daraufhin versuchten einige deutsche Politiker, unter ihnen Hans-Dietrich Genscher, sich als Austauschgeiseln anzubieten, doch dies lehnten die Terroristen ab. Die Terroristen stellten ein Ultimatum, dass bis 12.00 Uhr die Gefangenen in den israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollten. Kurz vor Ablauf des Ultimatums gelang es Unterhändlern, die Frist um drei Stunden, auf 15.00 Uhr zu verschieben. Erneute Verhandlungen verschoben das Ultimatum auf 17.00 Uhr. Als sich gegen Abend des 5. September eine Art Patt Situation entwickelte, und die Terroristen einsehen mussten, dass ihre Forderungen nicht erfüllt wurden und sie umstellt waren, änderten sie Forderungen dahingehend ab, dass sie nun freies Geleit zum Militärflugplatz Fürstenfeldbruck haben wollten. Von dort aus sollte ein Flugzeug sie in die Freiheit nach Kairo fliegen.
Zunächst schien die deutsche Regierung darauf einzugehen, und lieferte den gewünschten Hubschrauber, der die Terroristen und ihre Geiseln zu dem Flugfeld bringen sollte. Allerdings war auch die deutsche Regierung nicht gewillt, sich von Terroristen, gleich welcher Nationalität, erpressen zu lassen. Daher warteten auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck ganz normale Streifenpolizisten und Scharfschützen sowie eine Boeing 727. Das Drama nahm seinen Lauf, alle Geiseln, ein Polizist und fünf Geiselnehmer starben.
Katastrophale Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen
Im Laufe des Tages hatten sich immer wieder verschiedene Geiselnehmer auf dem Balkon der Wohnung der israelischen Sportler gezeigt. Obwohl sie die Kleidung dabei immer wieder gewechselt hatten, waren Beobachter davon ausgegangen, dass es sich um insgesamt fünf Geiselnehmer handelte. Gleichzeitig waren die Terroristen bestens über alle Pläne und Vorhaben der deutschen Behörden informiert. Da versäumt wurde, den Strom abzudrehen, erfuhren die Geiselnehmer aus den Nachrichten über das Fernsehen und das Radio, dass die Polizei aufmarschiert war und nur auf sie wartete. Neben dem Versäumnis, den Strom abzustellen, wurde es auch versäumt, die Presse aus dem olympischen Dorf zu entfernen.
Durch die Übertragungsbilder der Presse wussten die Terroristen sogar ganz genau, wo die verschiedenen Polizisten positioniert waren. Durch dieses Wissen konnten neue Zugeständnisse erpresst werden. Ein Bus brachte die Terroristen mit ihren vorgeblich einverstandenen Geiseln zu einem wartenden Hubschrauber. Auf dem ganzen Weg blieben sie unbehelligt. Auf dem Flughafen angekommen, inspizierten die Terroristen das Flugzeug, das aber leer war, jedoch mit laufenden Triebwerken bereitstand. Eigentlich hatten sich Streifenpolizisten darin befinden müssen, die sich kurz zuvor für die Mission freiwillig gemeldet hatten. Doch als die Polizisten erfuhren, dass die Terroristen mit Maschinengewehren bewaffnet waren, sie selbst aber nur schwerfällige Dienstpistolen hatten, waren sie geflohen.
Die Scharfschützen, die sich auf dem Dach und dem Rollfeld des Flugplatzes befanden, waren nur notdürftig mit Sturmgewehren ausgerüstet worden, obwohl es schon Scharfschützengewehre gab. Es ist jedoch fraglich, ob das etwas geändert hätte, denn die Polizisten waren keine ausgebildeten Scharf- oder gar Präzisionsschützen. Gepanzerte Sonderwagen, die es den Polizisten ermöglicht hätten, näher an die Geiseln und Geiselnehmer heranzukommen, gab es auch nicht, sie wurden erst später überhaupt erst angefordert. Doch sie trafen, auch auf Grund des starken Verkehrs, erst ein, als die Schießerei auf dem Flugplatz schon fast beendet war. Als die beiden Hubschrauber mit Geiseln und Terroristen eintrafen, war es 22.29 Uhr, und damit schon dunkel. Um 22.35 Uhr löschte der Flughafen seine Scheinwerfer, drei Minuten später kam das Kommando „Feuer frei!“ von Bruno Merk, dem damaligen Innenminister Bayerns. Das Licht wurde wieder eingeschaltet, in der Hoffnung die Terroristen zu blenden und zu verwirren. Doch es gab es nur fünf Scharfschützen, weil man immer davon ausgegangen war, dass es auch nur fünf Geiselnehmer gab. In Wirklichkeit waren es acht Geiselnehmer und die Schießerei, die auf das Kommando Merks folgte, zog sich über zwei Stunden hin.
Das Vorfeld des Fiaskos und die Lehren, die aus ihm gezogen wurden
Es war offensichtlich, dass nicht nur die bayrische Polizei, sondern auch die Politiker zum Teil maßlos überfordert waren mit der Situation. So hatte die Polizei keine speziell ausgebildeten Scharfschützen, Die Bundeswehr hatte welche, durfte aber nicht eingreifen und wurde auch nicht angefordert. Aus diesem Grund, und um zu verhindern, dass so etwas wieder passieren konnte, wurde die Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) gegründet. Der Auftrag dazu kam von Hans-Dietrich Genscher. Zur Ausbildung trugen, ganz besonders in den Anfängen der GSG 9 auch Anti-Terror Spezialisten des israelischen Geheimdienstes bei. Bei dieser Ausbildung wurde auch verstärkten Wert auf eine umfassende und gründliche Kommunikation gelegt. Denn während der Schießerei hatten einige Polizisten auf einen der ihren geschossen, weil sie nicht wussten, wer zu ihnen gehörte oder wo die Scharfschützen positioniert waren. Erst kürzlich haben freigegebene Akten eine schon lange bestehende Vermutung bestätigt. Laut dieser Vermutung hatten die Palästinenser eine enge Verbindung zu der deutschen Neonazi Szene. Die Neonazis besorgten den Palästinensern Fahrzeuge, sorgten für Waffen und stellten Kontakte her. Sie dienten auch als Chauffeure und Verbindungsleute. Zumindest über die Treffen zwischen dem hochrangigen Neonazi Willi Pohl und dem Anführer der Terroristen Abu Daoud wussten die Behörden Bescheid.
Doch das Attentat von München stellte alle vorherrschenden Sicherheitsmaßnahmen und Regelungen in Frage, vieles wurde überdacht und neu Konzipiert. Unter anderem wurden nach der Tragödie die damals sehr lockeren Sicherheitsmaßnahmen bei allen sportlichen Großveranstaltungen massiv verstärkt. Auch die Kontrollen an Flughäfen und Grenzen wurden verschärft. Bis heute wirken die Fehlentscheidungen, die Opfer, die tragischen Versäumnisse der Behörden und das Trauma der blutigen Geiselnahme nach.