Michelangelo
Er ist der Star der Renaissance, der große Meister, Künstler und Skulpteur, Baumeister und Dichter. Noch Jahrhunderte nach seinem Tod sprechen Menschen in vielen Ländern voller Bewunderung von ihm, zeugen ihm Künstler, Architekten und Philosophen Respekt. Er ist ein Idol, das Sinnbild der Renaissance, Sinnbild für den umfassend gebildeten Menschen – Michelangelo. Gegen seinen Zeitgenossen Leonardo da Vinci setzte er sich leicht durch, denn der verschlossene Leonardo hatte Schwierigkeiten, sich den Auftraggebern anzupassen – Michelangelo nicht. Er arbeitete in Florenz und Bologna und wurde nach Rom berufen, arbeitete im Mittelpunkt der damaligen Welt. Dort schuf er Schönheit, körperliche Schönheit in einer Zeit, in der alles Körperliche verpönt war, und Prunk, Prunk für die Religion, die allen Reichtum und Prunk negierte. Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni, wie er eigentlich hieß, war ein außergewöhnlicher Mensch.
Kindheit, Jugend und Ausbildung
Michelangelo Buonarroti wurde am 6. März 1475 in Caprese in der Toskana geboren und verstarb am 18. Februar 1564 in Rom. Er war der zweite Sohn eines Stadtvogts, und nach seiner Geburt zog seine Familie aus Caprese weg nach Florenz. Michelangelo wurde einer Arbeiterfrau in Settignano zur Pflege gegeben. Seine Mutter verstarb nach der Geburt von drei weiteren Söhnen. Der mutterlose Bub wollte schon als Kind Künstler werden, auch wenn das mit dem Stolz des Vaters nicht gut zu vereinbaren war. Im Alter von dreizehn Jahren begann Michelangelo eine bezahlte Lehre in der Werkstatt des Domenico Ghirlandaio. Eine Lehre sah zu der Zeit so aus, dass die Kinder als Assistenten einfache Arbeiten erledigten und mit der Zeit immer mehr mitarbeiten konnten, bis sie schließlich in der Lage waren, fast alle Aufgaben in der Werkstatt zu erfüllen.
Michelangelo erlernte bei Ghirlandaio die Grundlagen der Freskokunst, er war erst einmal mit Malerei beschäftigt. Allerdings interessierte er sich von Anfang an auch für die Bildhauerei, weswegen er noch vor dem Ende seiner Malerausbildung an die Bildhauereischule versetzt wurde. Die war von Lorenzo de‘ Medici errichtet worden. Lorenzo verstarb jedoch, als Michelangelo knappe drei Jahre an der Schule war. Lorenzos Sohn erbte zwar dessen Stellung in Florenz, hatte aber nicht die Fähigkeiten des Vaters. So gerieten die Medici und ihre Anhänger bald in Kalamitäten. Michelangelo sah dies wohl kommen und setzte sich nach Bologna ab, bevor es zum Aufstand kam. Im Alter von 20 Jahren wurde er dort von der Familie des Ulisse Aldrovandi aufgenommen, in deren Auftrag er einige Heiligenfiguren erstellen durfte. Er bekam keine weiteren Aufträge und war damit als Künstler in Bologna erst einmal gescheitert.
In seiner Abwesenheit hatte man ihn in Florenz auf eine Liste mit Künstlern gesetzt, die für die Ausgestaltung des Versammlungssaales für den Großen Rat verantwortlich waren. Michelangelo kehrte nach einem Jahr nach Florenz zurück. 1494 hatte Savonarola die Macht in Florenz übernommen, und Michelangelo erhielt keinen Aufträge mehr von der Stadtregierung. Er erhielt stattdessen private Aufträge aus dem Umfeld der Medici-Familie. Einer davon brachte ihn dazu, spaßeshalber an einem Betrug teilzunehmen: Er sollte eine Skulptur einfärben und als antikes Werk ausgeben. Die Figur konnte verkauft werden, aber der neue Besitzer, ein Kardinal, legte den Betrug offen, ließ sich die Kaufsumme von Michelangelos Auftraggeber erstatten und holte Michelangelo nach Rom.
Zwischen Rom und Florenz
1496 bis 1501 lebte und arbeitete Michelangelo in Rom für verschiedene Kardinäle. Nachdem er zur Wiedergutmachung für seinen Betrug einen antiken Bacchus für Kardinal Riario geschaffen hatte, wurde er von einem anderen Würdenträger mit einer Pietà beauftragt. Diese Arbeit gelang ihm ganz wunderbar, er schuf zwei Figuren von erstaunlich hoher Ausdruckskraft. Davon abgesehen ist die Pietà die einzige Figur, die er jemals signierte – er maß ihr also selbst höchste Bedeutung zu. Die Signatur brachte er auf einem Band an, das er der Gottesmutter über die Brust legte und so in ihre Kleidung integrierte. Michelangelo blieb fünf Jahre lang in Rom, im Sommer 1501 ging er zurück nach Florenz.
Während seiner Abwesenheit kam es in Florenz zu starken Unruhen: Savonarolas Herrschaft war nicht bei allen Florentinern willkommen, und die Eroberungen Napoleons wurden skeptisch gesehen. Savonarola wurde gestürzt, es kam zu Kriegen, und an Kunst herrschte kurzfristig kein Interesse. Michelangelo ließ sich von seinem Vater drängen, in die Heimat zurückzukehren und ihn und seine Brüder finanziell zu unterstützen. Als er schließlich krank wurde, ging er tatsächlich nach Florenz. Er nahm einen Auftrag des Kardinals Piccolomini mit: Eine Grabstätte in Siena sollte mit 15 Skulpturen ausgestaltet werden. Vier davon erstellte Michelangelo tatsächlich, einen Teil vermutlich sogar eigenhändig, für den Rest zeigten seine Werkstattangehörigen sich verantwortlich.
Viel interessanter fand Michelangelo zu der Zeit einen großen Marmorblock, der nach den vergeblichen Arbeitsbemühungen eines anderen Künstlers mehrere Jahrzehnte ungenutzt in Florenz herumlag. Aus diesem Block entstand der berühmte David, den Michelangelo ungeachtet aller Traditionen in der Darstellungsweise dieser Figur groß, muskulös, jugendlich und tatsächlich nackt gestaltete. Gleichzeitig entstanden ein kleinerer David in Bronze, ein grob behauener und unvollendeter Sankt Matthäus, eine Madonna mit Kind sowie zwei Basreliefs der Madonna mit Kind. Ein Teil dieser Arbeiten wurde von Michelangelo begonnen und von anderen Künstlern vollendet.
Michelangelo als Maler
Michelangelo gestaltete das Gemälde der Heiligen Familie für seinen Patron Angelo Doni, er bekam einen Regierungsauftrag für ein Monumentalgemälde im großen Saal des Stadtrates. Den Auftrag führte er nie aus, nach der Erstellung vieler Vorzeichnungen und Skizzen ging er 1505 zurück nach Rom. Dort sollte er für Papst Julius II. ein Grabmonument erstellen. Den Winter 1505/06 verbrachte Michelangelo im Steinbruch von Carrara, um geeigneten Marmor zu suchen und das Brechen der Steine, das grobe Behauen und die Lieferung zu überwachen. Im darauf folgenden Frühjahr begann er in Rom die Arbeiten am Grabmal, die auch gut vorankamen. Dann nahm der Papst jedoch Donato Bramante zur Neugestaltung des Petersdoms in seine Dienste. Bramante und Michelangelo vertrugen sich nicht, und Michelangelo sah darin den Grund für seine Abberufung von der Bildhauerarbeit.
Papst Julius II. beorderte ihn, die Arbeit am Grabmal zu unterbrechen und stattdessen die Sixtinische Kapelle malerisch auszugestalten – das passte Michelangelo nicht. Als sich Julius II. immer mehr in Kriegen engagierte und das Geld für die Kunst knapper wurde, ergriff Michelangelo wieder die Flucht und ging trotz ausstehender Zahlungen aus päpstlicher Kasse zurück nach Florenz. Dort konnten die Boten des Papstes ihn nicht erreichen, Florenz war eigenständiges Staatsgebiet. Michelangelo nahm 1506 keine Aufträge aus Rom mehr an, er arbeitete vermutlich an dem zuvor für den Ratssaal begonnen Schlachtenbild weiter. Noch 1506 konnte Papst Julius II. Bologna erobern. Er sicherte Michelangelo sicheres Geleit und Freundschaft zu und bestellte ihn, um ihn mit der Erstellung einer Bronzestatue zu seinen Ehren zu beauftragen. Michelangelo beschäftigte sich ausgiebig damit, das Bild des Papstes in Bronze zu bannen, wurde aber sehr schlecht bezahlt. Er hatte Schwierigkeiten: In der Metallverarbeitung war er unerfahren, seinen Assistenten aus Florenz musste er wegen Ungehorsam feuern, aber 1508 konnte er die Figur des sitzenden Papstes mit Herrschaftsinsignien doch fertigstellen. Die Figur wurde drei Jahre später schon wieder zerstört.
Die sixtinische Kapelle
Michelangelo folgte dem Papst zurück nach Rom, wo er sich weiter der Sixtinischen Kapelle widmete. Die Arbeit am Grabmal des Papstes nahm er erst wieder auf, als die Sixtinische Kapelle ausgestaltet war. Allerdings konnte Michelangelo nur etwa vier weitere Monate daran arbeiten, denn im Sommer 1513 verstarb der Papst. Dessen Erben verlangten einen neuen, kleineren Plan gemäß den Gepflogenheiten der Renaissance, den Michelangelo schließlich auch ausführte. 1513 kehrte Michelangelo jedoch erst einmal wieder nach Florenz zurück, um dort die Fassade von San Lorenzo zu gestalten. Er schmiss den Auftrag hin, weil sich seine Arbeiter in Carrara als unzuverlässig erwiesen. Die erste Hälfte seines Lebens war vorüber, aber Michelangelo erhielt mit 43 Jahren nun zunehmend gut gezahlte Aufträge, die ihn aus Carrara weg in die Steinbrüche von Pietrasanta führten. Die Aufträge kamen vom französischen König, von der Regierung von Bologna und der von Genua. In den Jahren 1522 bis 1534 arbeitete Michelangelo überwiegend für die Familie der Medici. Die Arbeiten an der Fassade von San Lorenzo in Florenz sollten wiederholt neu aufgenommen werden, und zwischendurch arbeitete er auch immer wieder am Grabmal Papst Julius II. weiter. 1534 bis 1564 hielt sich der Künstler wieder in Rom auf und arbeitete unter anderem an der Sixtinischen Kapelle.