William Shakespeare
Es kann zurecht festgestellt werden, dass William Shakespeare der Autor war, der der angelsächsischen Welt und im Zuge dessen auch dem englischen Sprachraum seinen Stempel aufgedrückt hat. Dies ist keineswegs im übertragenden Sinn gemeint, denn wie kaum ein anderer Schriftsteller auf der Welt hat Shakespeare nicht nur die zeitgenössischen Sprechweisen von der Gossen- bis zur Hochsprache gekannt und benutzt, sondern eine Vielzahl bekannter Wörter geprägt und bei Bedarf auch neue erfunden. Auch wer nie eines seiner Werke gelesen hat, benutzt heute Begriffe wie z. B. accomodation, assasination, obscene oder submerged, wenn er englisch spricht. Zugunsten kam ihm dabei der Umstand, dass die Sprache in seiner Epoche weit weniger reglementiert war, als dies heute der Fall ist. Dies führte unter anderem zu dem extrem breiten Wortschatz, der sich in Shakespeares Werken mit seinen nahezu 18.000 unterschiedlichen Ausdrücken widerspiegelt. Er gilt zudem heute als der Dichter, der die meisten Redewendungen und Sprichwörter geprägt hat, sein in aller Welt bekanntes „Sein oder Nicht Sein, das ist hier die Frage“ sollte eines der am häufigsten genutzten Zitate aller Zeiten sein. Das ist nicht allein seiner hohen Produktivität zuzuschreiben – sein Repertoire an Theaterstücken umfasste alle zu seiner Zeit populären Genres, sowohl Komödien wie Tragödien als auch Historiendramen, zusätzlich werden ihm auch noch mehrere Versepen und Sonette zugerechnet.
Die Liste ist bis heute nicht abschließend, da bei Recherchen immer wieder seine teils enge Kooperation mit anderen Schriftstellern nachgewiesen wird. Zuletzt wurde beispielsweise „Edward III“ sowohl in die Sammlung des „Oxford Shakespeare“ als auch in die des „The Norton Shakespeare aufgenommen und zählt somit zu dem offiziellen Kanon der von ihm verfassten Stücke, während das über Jahrhunderte immer wieder kontrovers diskutierte „Double Falshood“ seit 2010 ein neuer Bestandteil der ebenfalls beliebten Arden-Kollektion ist. Weiter hinzu kommen noch einige Schriften, die bis heute verschollen sind, wie etwa das 1612 erstmals gespielte Drama „Cardenio“, von dessen Existenz und Inhalt wir nur aus Sekundärliteratur Kenntnis haben.
Das Leben von Shakespeare – eine Rekonstruktion voller Kontroversen
William Shakespeare ist nicht nur einer der bekanntesten Schriftsteller weltweit, sondern auch einer der unter Historikern umstrittensten. Die Debatten beginnen bereits bei seiner Identität, wobei sich in Fachkreisen inzwischen die Ansicht durchgesetzt hat, dass der Name kein Pseudonym ist, sondern dass dem geschichtlich verbürgte William Shakespeare tatsächlich die Urheberschaft an den in seinen Namen erschienen Werken zuerkannt wird. Dies war lange Zeit nicht Konsens zwischen den mit dem Thema befassten Forscher, zeitweilig wurde von einer beträchtlichen Zahl unter ihnen über eine Funktion als Strohmann für eine prominente Persönlichkeit oder gar eine Gruppe von Literaten spekuliert. Allerdings haben Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten diese Hypothese nicht bekräftigen können, die Beweise und Indizien legen im Gegenteil sogar den Schluss nahe, dass der Schreiber in der Tat jener im 16. Jahrhundert geborene und am 26. April 1564 (nach dem julianischen Kalender) auf den Namen William getaufte Mann war, dessen Vater John Shakespeare hieß. Er war der Sohn eines geachteten Handschuhmachers und Lederbearbeiters aus einfachen, bäuerlichen Verhältnissen und einer Tochter aus gutem Hause war, die wenn auch zum niederen, so doch immerhin zum Adel gehörte. Als Kind einer privilegierten Schicht genoss er eine gute und umfassende Ausbildung in einer renommierten Schule seiner Heimatstadt Stratford-upon-Avon in Zentralengland, wo er neben Latein und Griechisch auch Unterricht Dichtkunst, Morallehre und Geschichte erhielt. I
m Alter von 18 Jahren heiratete er eine acht Jahre ältere Frau, über deren Identität sich eine weitere Diskussion entwickelte, da in den kirchlichen Registern zwei verschiedene Nachnamen auftauchen. Dass dies in Zeiten ohne eine standardisierte Rechtschreibung und mit einer hohen Analphabetenrate durchaus nicht ungewöhnlich war, mag belegen, dass auch Shakespeares eigener Namen in unterschiedlichen Varianten vorhanden ist, obwohl dieser des Lesens und Schreibens mächtig war. Auffallend ist weiterhin, dass sein erstes Kind lediglich ungefähr sechs Monaten nach der Eheschließung geboren wurde. Es gibt mehrere Erklärungsmuster, die sich für eine Erklärung anbieten. Nach einer verbreiteten These handelt es sich um eine amtliche Eintragung, die nur eine bereits geschlossene Ehe registrieren und bestätigen sollte, so dass das eigentliche Hochzeitsdatum durchaus längere Zeit davor liegen konnte. Ein andere besagt, dass William gegen seinen Willen zu dieser Heirat gezwungen wurde, nachdem er die ältere Frau geschwängert hatte. Radikale Positionen wiederum zweifeln gänzlich an der Existenz seiner unter den Namen Annam, Agnes oder Anne Whateley dokumentierten Angetrauten und berufen sich darauf, dass zu diesem Namen weiterführende Unterlagen komplett fehlen würden.
Für weitere Spekulationen sorgt der Umstand, dass über den Zeitraum von 1584 bis 1592 nur wenige authentische Unterlagen erhalten sind, während die darauf folgende Zeit relativ gut dokumentiert ist. Danach war er Mitglied, Autor und Finanzier der erfolgreichen Theatertruppe „Lord Strange’s Men“, die nach 1594 unter dem Namen „Lord Chamberlain’s Men“ auftrat und zu den führenden Schauspielern in London zählte. Sie war so erfolgreich, dass sie sich den Bau eines eigenen Theaters leisten konnte, das zu den besten Adressen gerechnet wurde und vielfach auch zu Gastspielen am Königshof gebeten wurde. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem ansehnlichen Wohlstand in seiner Heimatstadt Stratford, kehrte aber immer wieder zu persönlichen Anlässen nach London zurück und stand als Ko-Autor in engem Kontakt zu seinen ehemaligen Kollegen. Er starb im Jahr 1616 und wurde kirchlich beigesetzt.
Werk und Rezeption – vom Hofe Londons in die ganze Welt
Shakespeare hat seiner Nachwelt neben seinen dichterischen Werken einen Fundus von 38 Theaterstücken hinterlassen, die nicht zuletzt dank ihrer hohen Symbolkraft bis heute von Bühnen auf der ganzen Welt aufgeführt werden. Seine Stücke wurden in Dutzende Sprachen und noch mehr Dialekte übersetzt und haben überall Schriftsteller inspiriert, aber auch unter den Lesern hohen Anklang gefunden. So hat er beispielsweise Inspirationen für Lessings Literaturtheorie der Aufklärung beigesteuert und auch im folgenden Jahrhundert verschiedene Stilrichtungen in Deutschland beeinflusst, darunter den Sturm und Drang und die Romantik. Auch Goethe und Herder haben in Reden und Schriften betont, welche große Relevanz Shakespeare für ihre eigene Arbeit besessen hat.
Dabei ist anzumerken, dass die Aufnahme der Stücke des Literaten besonders hierzulande eine so breite Aufnahme gefunden hat, dass einige Kritiker sogar zu der Behauptung übergegangen sind, seine Texte seien enger „der deutschen Seele“ als der englischen verbunden. Die begeisterte Resonanz zeigt sich unter anderem in der immensen Anzahl der Übersetzungen und der Neuübersetzungen, die bis heute mit großer Regelmäßigkeit erscheinen. Auch in Asien gehört Shakespeare oft zu den ersten Autoren, die in die entsprechende Landessprache übertragen wurden. Da sich gerade auf diesem Kontinent im Imperialismus des 17. bis 20. Jahrhunderts eine moderne Literaturbewegung herausbildete, wurden auch ihre Anfänge durch die starke Präsenz seiner Bücher entscheidend beeinflusst. Es ist vor allem die Vielfalt, die geschliffene und wohlgesetzte Bildhaftigkeit und das besondere Gespür für universelle Problematiken, die das Individuum vor existenzielle Fragen stellt, die bis heute die Menschen für Werke wie Hamlet, MacBeth oder Othello begeistert.
Dieselbe Tiefe und Zeitlosigkeit stellen auch seine Komödien unter Beweis, allein „Die lustigen Weiber von Windsor“ wird alljährlich von Hunderten von Bühnen trotz ihres oberflächlich betrachtet profanen Inhalts inszeniert und neu ausgelegt. Es ist deshalb allgemeiner Konsens, dass Shakespeare zu jenen Künstlern gerechnet werden kann, die es geschafft haben , die elementaren und existenziellen Fragen der menschlichen Identität in einem ultimativ gültigen Kontext darzustellen, der kulturübergreifend verstanden und interpretiert werden kann. Das und seine tiefgründige, ansprechende und präzise Präsentation ist es, was bis heute den Ruhm und die ungebrochene Popularität seiner Hinterlassenschaft ausmacht.